Portrait Miriam Höller - Copyright Martin Miseré
Body & Soul

Miriam Höller: "Das Leben lässt nicht mit sich verhandeln"

”Mentales Heilen dauert lange, und in dieser Zeit steht man auf sehr dünnem Eis.”

(Aus dem Buch "Das Leben ist ungerecht - Und das ist gut so")

Wie fühlt es sich an, wenn das Leben scheinbar von einer Sekunde auf die andere zerbricht? Miriam Höller kennt diesen Moment aus eigener Erfahrung: Als Stuntfrau war sie es gewohnt, Risiken einzugehen und mutig Grenzen zu verschieben. Doch auf die größten Herausforderungen ihres Lebens konnte sie sich nicht vorbereiten – den Verlust ihres Partners, das abrupte Ende ihrer Karriere und eine Zukunft, die komplett neu gedacht werden musste. Im Interview erzählt sie, wie sie mit ihren Krisen umgegangen ist, warum Rückschläge auch Chancen sein können – und weshalb Resilienz längst mehr ist als ein bloßes Modewort.

Ihr Buchtitel lautet „Das Leben ist ungerecht – und das ist gut so“. Wie erklären Sie diese Aussage Menschen, die gerade selbst mit einem Schicksalsschlag ringen?

Erklären würde ich diese Aussage nicht, sondern den Menschen Mut und Vertrauen zusprechen – dass sie eines Tages Frieden mit dem schließen können, was ihnen Schmerzhaftes widerfahren ist. Genau das war mein Antrieb in meinem eigenen Heilungsprozess. Wie ich das geschafft habe, erzähle ich in meinem Buch.
Hätte man mir in meinen schlimmsten Zeiten ein Buch mit diesem Titel in die Hand gedrückt, hätte ich es vermutlich aus Wut erst einmal weggeschmissen. Doch der Titel soll Neugier wecken – auf die Möglichkeit, dass wir in der Lage sind, an unseren größten Herausforderungen zu wachsen.

Und oft stellt sich genau diese Frage: Bleiben wir widerwillig sitzen und zerbrechen an der Herausforderung, weil unser Leben ganz anders verlaufen ist, als wir es uns vorgestellt haben? Oder folgen wir der Neugier, dass wir oft mehr schaffen können, als wir glauben – und gehen den oft unbequemen Weg der Heilung, der langfristig jedoch der wertvollere sein wird?


Miriam Höller ist Top-Speakerin beim Health Day 2025 am 9. Oktober, dem digitalen Gesundheitsevent für Unternehmen.

Sie selbst haben mehrere Krisen gleichzeitig erlebt. Wie sind Sie damit umgegangen, als Ihr gesamtes bisheriges Leben wie ein Kartenhaus zusammenbrach?

Wie viele andere habe auch ich im Schock zunächst einfach nur funktioniert. Als die Beerdigung vorbei war und langsam Ruhe einkehrte, begann ich zu verleugnen, was geschehen war.
Erst später musste ich mich den Emotionen stellen, die große Verluste mit sich bringen – allen voran der Wut. Ich versuchte, mit dem Leben zu verhandeln, doch das Leben lässt nicht mit sich verhandeln. Also musste ich lernen zu akzeptieren, was unwiderruflich verloren war – und zugleich erkennen, wofür es sich noch lohnt, zu kämpfen.

Ich durfte begreifen, was ich loslassen muss – und was ich von nun an noch gestalten kann.
Nach vielen Jahren fand ich schließlich Frieden. Denn trotz all des Schmerzes, der Zerstörung und der Verluste habe ich einen Sinn darin gefunden: Heute darf ich andere Menschen ermutigen, niemals aufzugeben – sondern für sich selbst und ihr Leben zu kämpfen.

Was waren Ihre ersten konkreten Schritte raus aus der tiefsten Krise?

Nach Hilfe zu bitten, war einer der wichtigsten Schritte auf meinem Weg zur Heilung. Ich dachte lange, ich dürfte keine Schwäche zeigen, schließlich war ich für mein starkes Auftreten bekannt. Ich dachte auch, ich müsste alles alleine schaffen – doch gemeinsam durch Krisen zu gehen, kann Beziehungen stärken.
 
Deshalb würde ich immer dazu raten, das Gespräch zu suchen – vor allem mit Menschen, die selbst Krisen erfolgreich bewältigt haben. Und darin besser zu werden, Fragen zu stellen. Denn nur wer Fragen stellt, bekommt Antworten, die einen wirklich weiterbringen.

Was war für Sie der Wendepunkt, an dem Sie gespürt haben: „Ich bin nicht mehr dieselbe, aber ich bin stärker geworden“?

Lange war es mein Anspruch, wieder so gesund zu werden, dass ich mein großes Comeback als Stuntfrau feiern könnte. Doch irgendwann wurde mir bewusst, dass es Grenzen gibt, die selbst ich als Extremsportlerin nicht verschieben kann.

So durfte ich mich neu erfinden. Ich hängte meine Leidenschaft, die Stuntarbeit, schweren Herzens an den Nagel – und hielt stattdessen meine ersten Reden.

Beim Thema Resilienz spürte ich, wie viele Menschen gerade jetzt nach Halt und Orientierung suchen. Und mir wurde klar: In jeder Lebensgeschichte stecken Geschenke – die wertvollen Lehren eines Menschen, der gekämpft hat.

Das wurde mein Antrieb: Resilienz besser zu verstehen und meine Erfahrungen mit anderen zu teilen. Heute ist das meine größte Stärke – die Empathie gegenüber Menschen, die auf der Suche nach einem souveränen Umgang mit Veränderungen sind.


Stuntfrau und Model: Allroundtalent Miriam Höller bei einem waghalsigen Action-Shooting. Foto: Wolfgang Lienbacher

Der Begriff Resilienz ist aktuell allgegenwärtig. Was bedeutet er für Sie?

Kein Wunder, dass dieser Begriff derzeit überall zu hören ist – die Sehnsucht nach innerer Stärke wächst in diesen anspruchsvollen Zeiten. Resilienz bezeichnet die psychische Widerstandskraft eines Menschen – also die Fähigkeit, Krisen, Stress und Herausforderungen zu bewältigen und sich sogar gestärkt daraus weiterzuentwickeln. Resilienz ist die innere Stärke, trotz Belastungen nicht zu zerbrechen – sondern mit ihnen zu wachsen.

Wie baut man mentale Widerstandskraft auf, wenn man kaum mehr Kraft hat?

Indem man sich bewusst macht, dass Resilienz nicht bedeutet, allein kämpfen zu müssen, sondern auch darin besteht, das eigene Umfeld als stabilisierenden Faktor zu erkennen und zu nutzen. Wir fühlen uns oft allein – doch das sind wir nicht. Es ist unsere Aufgabe, die helfenden Hände um uns herum wahrzunehmen und den Mut zu haben, sie auch zu ergreifen.

Wie kann man lernen, Rückschläge anzunehmen, ohne sich davon aus der Bahn werfen zu lassen? Was raten Sie betroffenen Menschen?

Rückschläge werfen uns in den meisten Fällen aus der Bahn. Sie stellen nicht nur unser Leben auf den Kopf, sondern rütteln uns auch wach. Und genau darin liegt bereits eine erste wichtige Lehre: wach zu werden – für das, was Leben wirklich bedeutet.

Worin investiere ich künftig meine Zeit? Wer gehört zu meinen wertvollsten Menschen? Was möchte ich wirklich in meinem Leben? Solche Fragen lassen sich nur im „aufgeweckten“ Zustand beantworten.

Rückschläge sollten wir also nicht als etwas Schlimmes, als beispielsweise Scheitern wahrnehmen, sondern eher als Geschenk. Sie können nicht nur Klarheit – sondern auch die große Chance mit sich bringen, persönlich zu wachsen.

Welche Tools helfen Ihnen, besser mit mentalem Druck umzugehen?

Ganz konkret gesprochen achte ich sehr bewusst auf meinen Energiehaushalt – weil ich gelernt habe, dass ich nur dann etwas bewegen und erschaffen kann, wenn ich kraftvoll bin.
Ich verbringe viel Zeit allein und tue Dinge, die mir Freude bereiten – wie einen Wellnesstag genießen, Motorrad fahren oder einfach am Strand sitzen.

Wir Menschen sind alle unterschiedlich und schöpfen Kraft aus verschiedenen Quellen. Doch eines haben wir gemeinsam: Wir verlieren oft zu viel Energie, weil wir nicht konsequent nach unseren eigenen Wünschen und Zielen handeln.

Was kann man tun, um seine mentale Stärke gezielt zu trainieren? Haben Sie Tipps?

Lesen Sie Bücher zu diesem Thema. Hören Sie Podcasts. Tauschen Sie sich mit Menschen aus, die kraftvoll im Leben stehen.

Lernen Sie, sich selbst herauszufordern. Schon kleine, mutige Entscheidungen stärken unser Selbstbewusstsein – und genau das ist entscheidend: Denn wenn große Herausforderungen in unser Leben treten, können wir uns auf uns selbst verlassen.

Seien Sie also mutig. Leben Sie. Lernen Sie. Wachsen Sie.


Miriam Höller: "Das Leben ist ungerecht - Und das ist gut so" erschien 2025 im Econ-Verlag.