Foto einer Frau aus den 50er Jahren, die eine Spülmaschine einräumt
Psyche

„Tradwife“-Trend: Die neue Autonomie der Frauen?

Putzen, kochen, backen, liebevoll Kinder und den Mann umsorgen. Junge Frauen präsentieren sich auf Social Media als traditionelle Hausfrauen. Die sogenannten „Tradwives“ haben sich ganz bewusst für dieses Rollenmodell entschieden. Ist das gelebte Autonomie – und macht das Leben als Hausfrau langfristig sogar zufriedener als gleichberechtige Partnerschaften oder ein Single-Leben?

Auf TikTok und Instagram feiern junge Frauen unter dem Hashtag #Tradwife das Leben als liebevolle und umsorgende Hausfrau. Tradwife setzt sich zusammen aus „Tradition“ und „Wife“. Mit geblümten Vintage-Kleidern backen lächelnde Hausfrauen mit Babys auf dem Arm zufrieden Sauerteigbrot und Kuchen – und das Ganze mit Hingabe und „femininer Energie“. Dabei verzichten sie auf ihre berufliche Karriere und widmen sich ganz dem Familienleben und dem Wohlergehen ihres Mannes. 

„Wenn mein Mann glücklich ist, dann bin ich es auch!“. Dieser Satz scheint einer der beliebtesten unter den Tradwives zu sein und erinnert an das Werbebild der Frau aus den 50er Jahren. Vor allem Frauen aus den USA leben dieses nostalgische Ideal: Hausfrau-Sein als Lifestyle-Statement, gegen die Überforderung der modernen Arbeitswelt. 

Die Tradwives scheinen überaus glücklich zu sein. Denn die Rolle der „traditionellen Hausfrau“ haben sie selbst gewählt und leben sie mit voller Überzeugung. Sie betonen, dass jede Frau das tun soll, was sie glücklich macht. 

Das tun, was einen glücklich macht, klingt selbstbestimmt. Trotzdem berührt die Bewegung der Tradwives eine zentrale Frage moderner Beziehungen: Wie frei sind unsere Lebensmodelle wirklich – und welches Beziehungsmodell macht langfristig zufriedener?

Psychologie der Wahl: Autonomie als Schlüssel zur Zufriedenheit?

Die Psychologie liefert darauf eine klare Antwort: Zufriedenheit und psychische Gesundheit entstehen nicht aus einem bestimmten Rollenmodell, sondern aus dem Gefühl, selbst gewählt zu haben. Die Selbstbestimmungstheorie (Self-Determination Theory) gilt hier als Schlüsselkonzept. Sie beschreibt drei psychologische Grundbedürfnisse. Autonomie ist eines davon – neben der sozialen Eingebundenheit und Kompetenz.

Wer seine Rolle als selbstbestimmt erlebt, ist demnach meist zufriedener – egal ob als Vollzeit-Mutter, Karrierefrau oder Single. Empfinden wir unsere Rolle dagegen als von außen auferlegt, sinkt das Wohlbefinden deutlich. Kurz gesagt: Autonomie schlägt Ideologie. 

"Gerade in der heutigen Zeit ist der Autonomie-Gedanke ein sehr präsenter. Wir wollen uns selbst verwirklichen und unser Glück nicht allein abhängig machen von unserer/unserem romantische:n Partner:in. Vielmehr den/die Partner:in als Ergänzung unseres Glücks in unserem Leben bei uns haben.“
Carline Krügl, systemische Coachin mit Schwerpunkt Sexualität & Liebe, pme Familienservice

Wer das Leben als Mutter und Hausfrau frei wählt, ist demnach also glücklich. Wie sieht es dann mit den Singles aus? Wie geht es denen, die keine Beziehung haben?

Singles zwischen Freiheit und Erwartung

Eine 12-Länder-Studie (2024/25) zeigt: Singles berichten im Schnitt eine etwas niedrigere Lebenszufriedenheit als Menschen in einer Partnerschaft. Aber auch hier gilt das Prinzip der Autonomie: Wer den Single-Status frei wählt, erlebt ähnlich hohe Zufriedenheit wie Menschen in stabilen Partnerschaften. In Deutschland steigt laut Kohortendaten die Zufriedenheit junger Singles sogar – besonders, wenn finanzielle Sicherheit und soziale Einbindung gegeben sind.

Und wie sieht es aus in Partnerschaften, die ein gleichberechtigtes Modell leben?



Traditionell oder egalitär? Wer ähnlich tickt, hat weniger Konflikte

Eine große US-DE-Studie (PNAS Nexus, 2024) zeigt: Paare sind dann am glücklichsten, wenn sie ähnliche Werte zu Geschlechterrollen teilen – ob traditionell oder egalitär. In zwei Langzeitstudien mit über 7.000 Paaren aus den USA und Deutschland wurde untersucht, wie unterschiedlich ausgeprägte Vorstellungen von Geschlechterrollen die Zufriedenheit in heterosexuellen Beziehungen beeinflussen.

Das Ergebnis: Entscheidend ist, wie stark sich die Einstellungen der Partner unterscheiden – und in welche Richtung. Paare waren zufriedener, wenn Männer etwas gleichberechtigter dachten als ihre Partnerinnen oder wenn Frauen traditionellere Ansichten hatten als ihre Männer. 

Außerdem zeigte sich: Am harmonischsten waren Beziehungen, in denen beide ähnlich dachten – ganz gleich, ob beide sehr egalitär oder sehr traditionell eingestellt waren. Schwieriger wurde es, wenn einer von beiden eher „dazwischen“ lag.

Was in Beziehungen also zählt, ist Balance – weniger starre Geschlechtermodelle. Trotzdem erlebt gerade dieses traditionelle Ideal anscheinend ein Revival – in der Bewegung der Tradwives, die das alte Einverdiener-Modell wieder aufleben lassen.

Das Leben als Tradwife – Luxus, Inszenierung, Illusion

Und das wird den Tradwives auch zum Vorwurf gemacht: dass die Bewegung ein Familienbild verklärt, das längst nicht mehr zur Lebensrealität der meisten Menschen passt. Hinter der romantischen Fassade von Schürze und Hausidylle steckt ein Modell, das Frauen in ökonomische Abhängigkeit drängt und das alte Ideal der heterosexuellen Einverdienerfamilie wiederbelebt. 

Wer kann sich das überhaupt leisten? Das Leben als Tradwife ist ein Luxus, den nur Paare stemmen können, bei denen der Mann genug verdient, um die Familie allein zu tragen. Für die Mehrheit der Haushalte ist das eine Illusion: Laut dem Statistischen Bundesamt waren 2022 rund 69 Prozent der Mütter minderjähriger Kinder berufstätig – nicht aus Rebellion, sondern aus finanzieller Notwendigkeit.

"Was mir in der Beratung tatsächlich auffällt, ist, dass gerade bei Besserverdienenden oft noch sehr traditionelle Rollen gelebt werden.“
Carline Krügl, systemische Coachin, pme Familienservice

Hinzu kommt: Die Social-Media-Tradwives verdienen zum Teil sehr viel Geld, indem sie Deals mit Firmen eingehen – also so ganz stimmt der Verzicht auf die Karriere dann doch nicht. So gibt die Influencerin Alexia Delarosa in der ZDF-Doku „Tradwives – Sittsam, hübsch, perfekt“ an, bis zu 18.000 Euro im Monat durch Social-Media-Deals zu verdienen. 

Der Verzicht auf die eigene Karriere ist in diesen Fällen also nur ein Teil der Inszenierung – echte finanzielle Unabhängigkeit bleibt möglich, aber nur für die wenigsten.

Auch das Thema Mental Load taucht in der Szene kaum auf. Mental Load beschreibt das permanente Denken, Planen und Koordinieren von Familien- und Haushaltsaufgaben – von Einkäufen über Schultermine bis zu Rechnungen. Studien aus den USA (JAMA Internal Medicine, 2025) dokumentieren einen starken Rückgang der mentalen Gesundheit von Müttern zwischen 2016 und 2023, ausgelöst durch Care-Last, ökonomischen Druck und soziale Vergleichsdynamiken. Deutsche Daten zeigen denselben Trend – besonders wenn Care-Arbeit einseitig verteilt ist.

Wenn Sie wissen wollen, wie der Kreislauf Mental Load sich unterbrechen lässt, lesen Sie diesen Artikel: Mental Load - Das Toben in meinem Kopf

Tradwife: am Ende dann doch keine Autonomie mehr?

Auf den ersten Blick wirken Tradwives selbstbestimmt: Sie verzichten freiwillig auf Karriere, scheinen bewusst traditionelle Werte zu leben. Doch echte Freiheit bedeutet Wahlmöglichkeiten – und genau daran fehlt es oft.

Wer finanziell vollständig vom Partner abhängig ist, kann kaum wirklich selbstbestimmt handeln. Hinter der scheinbaren Selbstermächtigung steckt oft das alte Machtmodell in neuem Gewand, hübsch verpackt als Lifestyle. Selbst die Social-Media-Stars der Szene zeigen: Autonomie wird hier inszeniert, aber ist längst nicht selbstverständlich.

Frei gewählt heißt auch: Ich bin abgesichert!

Finanzielle Sicherheit und gerechte Teilhabe an Entscheidungen sind somit grundlegende Voraussetzungen für Gleichwertigkeit und gegenseitigen Respekt in einer Beziehung.

Wer in einem traditionellen Familienmodell lebt, sollte deshalb darauf achten, dass

1. die finanzielle Entscheidungsfindung gemeinsam erfolgt, wobei eine offene Kommunikation entscheidend ist. Oft übernehmen noch viele Männer als Alleinverdiener die Hauptverantwortung. Wichtig ist eine faire Aufteilung der Finanzen. Erstellen Sie ein Budget, das die Einnahmen und Ausgaben klar aufschlüsselt.

2. auch Sie als Hausfrau für Ihre finanziellen Ziele sparen. Ein 3-Konten-Modell ist eine gute Möglichkeit, um finanzielle Unabhängigkeit bewahren. Dabei hat jede:r Partner:in ein eigenes Konto, und es gibt ein gemeinsames Konto für alle gemeinsamen Ausgaben wie Miete und Lebensmittel. 

3. die Altersvorsorge gemeinsam geplant wird, um finanzielle Ungleichheiten auszugleichen und sicherzustellen, dass beide Partner:innen ausreichend im Alter abgesichert sind. 

Lesen Sie, wie eine offene Kommunikation gelingt und welche fairen Finanzmodelle für Paare es gibt: So gelingt die faire Finanzplanung als Paar

Tradwife-Life: mehr Hype als Trend?

In Deutschland bleibt der Trend zur Tradwife eher ästhetisches Phänomen als gelebte Realität. Laut einer aktuellen Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB, 2025)[1] überwiegen bei über 60 Prozent der Frauen im Alter von 20 bis 30 Jahren klar egalitäre Leitbilder. Das Geschlecht spielt also keine Rolle, wenn es um die Verteilung von Aufgaben geht.

Nur knapp ein Fünftel (18,5 Prozent) der befragten 2.709 Frauen vertritt ähnliche Einstellungen wie die Influencerinnen, die ein traditionelles Rollenbild von Weiblichkeit, Mutterschaft und Fürsorgearbeit idealisieren. 

Am Ende entscheidet also nicht der Lebensstil über Glück und mentale Gesundheit, sondern eine einfache Frage: Leben Sie ein Modell, das Sie wirklich wollen – oder weil Sie glauben, Sie müssten es genauso leben?