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zu sehen ist eine Collage, eine Frau greift sich gestresst an die Schläfen
Psyche

Mental Load: Das Toben in meinem Kopf

Der Arzttermin des Sohnes, die Präsentation im Job, das Geschenk für die Schwiegermutter: Mental Load ist ein Thema, das insbesondere Frauen betrifft. Denn viele Aufgaben werden auch heute noch implizit dem weiblichen Geschlecht zugeordnet. Warum ist das so? Und was können wir Frauen selbst tun, um diesen Kreislauf zu durchbrechen?

Es scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass Mütter, Partnerinnen oder Kolleginnen sich schon irgendwie kümmern: um das Geschenk für die Schwiegermutter, um die Verpflegung beim nächsten Live-Meeting, um den Kuchen für das nächste Schulevent. Ein Teufelskreis. Denn die sogenannte Care-Arbeit, das Sich-kümmern, verbraucht viel mehr Energie als angenommen und wird oft unterschätzt. Und plötzlich können wir einfach nicht mehr, fühlen uns ausgelaugt, erschöpft und gestresst.

Für dieses „An alles denken“-Management im Kopf steht der Begriff „Mental Load“. Er bezeichnet die vielen Aufgaben, die wir im täglichen Leben übernehmen, sei es im Haushalt, bei der Arbeit oder in sozialen Verpflichtungen. In den meisten Formen des Zusammenlebens übernehmen Frauen diese Aufgaben.

Hausarbeit ist auch kognitiv ungleich verteilt

Dass die Hausarbeit beim Mental Load für Frauen ungleich hoch zu Buche schlägt und das wiederum negative Auswirkungen auf die Gesundheit hat, zeigt eine neue Studie, die belegt: Mütter tragen durchschnittlich 73 Prozent der kognitiven und 64 Prozent der physischen Hausarbeit, während Väter deutlich weniger übernehmen.
​​​​​​​Besonders die kognitive Arbeit – wie Planung, Organisation und Delegation – belastet Frauen psychisch und führt häufig zu Stress, Depression, Burnout und Beziehungsunzufriedenheit. Diese ungleiche Verteilung bleibt oft unsichtbar, beeinträchtigt jedoch nicht nur das Wohlbefinden der Frauen, sondern verstärkt auch die gesellschaftliche Geschlechterungleichheit.

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Diese geistige Belastung werde oft übersehen, spiele jedoch eine entscheidende Rolle für das psychische Wohlbefinden von Müttern. Paartherapeuten, Fachkräfte für psychische Gesundheit und Beziehungsexpert:innen sollten diesem häufig unbeachteten Aspekt der Hausarbeit mehr Aufmerksamkeit schenken, resümieren die Autor:innen der Studie.

Dass es inzwischen für diese psychische Belastung einen Namen gibt, macht es einfacher, darüber zu sprechen. Geprägt hat den Begriff Mental Load im Jahr 2017 die französische Illustratorin Emma mit ihrem Comic über den Alltag von Müttern. In ihrem ersten Buch reflektiert Emma in einfachen Strichzeichnungen über die alltäglichen Situationen und mentalen Belastungen von Frauen. Sie behandelt Themen wie den Mutterschaftsurlaub und hinterfragt: Ist das wirklich ein „Urlaub“? Mit ihren Zeichnungen traf die Feministin einen Nerv. Ihre Comics gingen auf Facebook viral, und der Begriff „Mental Load“ wird seitdem vor allem Müttern im Dauerstress zugeschrieben (Emma-Magazin auf Facebook).



Quelle: https://english.emmaclit.com/2019/01/

Mental Load kann enorm belasten

Es mag eine gewisse Erleichterung verschaffen, dass Frauen mit dem Begriff Mental Load endlich den Zustand benennen können, unter dem sie leiden. Die Erkenntnis, dass auch andere mit dem ständigen Toben im Kopf zu kämpfen haben, kann jedenfalls helfen, einen Schritt zurückzutreten und das Phänomen genauer zu betrachten.

Selbsttest: Testen Sie Ihren Mental Load​​​​​​​​​​​​​​

„Mental Load, das ist all das, was du in deinem Kopf hast, wenn du nicht nur für dich, sondern auch für andere Verantwortung übernimmst, planst, recherchierst, organisierst, strukturierst, erledigst. Unentgeltlich, implizit und selbstverständlich“, sagt Darina Doubravova, Leiterin der pme Work-Life-Akademie, die Workshops und Gruppencoachings zum Thema Mental Load anbietet.

Mental Load hat eine strukturelle Dimension

Getriggert wird Mental Load nicht nur von unseren Persönlichkeitsmerkmalen, sondern vor allem von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Konventionen.

„Die Anzahl und Qualität von Kita-Plätzen, die Verteilung von Erwerbsarbeit zwischen Männern und Frauen, das Steuersystem, das Thema Gleichstellung und Vorstellungen von einer modernen, gleichberechtigten Partnerschaft, aber auch die finanzielle Sicherheit und Unabhängigkeit von Frauen sind Gesichtspunkte des Themas“, weiß Darina Doubravova. „Auf der anderen Seite geht Mental Load auch ganz tief ins Persönliche und entsteht aufgrund besonderer Vorlieben, Verhaltensroutinen, Selbst- und Fremdbildern, Haltungen und Einstellungen“. Dabei können auch stressverstärkende Selbstbilder wie „Ich muss perfekt sein“ oder „Ich muss allen gefallen“ verstärkend wirken.

Erschöpft, müde, gereizt: Warum ist Mental Load so anstrengend?

Wer sich Tag und Nacht mit einem schier unendlichen Berg an Dingen beschäftigt, hat permanent ein hohes Stresslevel und riskiert mitunter, krank zu werden. Denn Mental Load ist anstrengend: Wir zwingen unser Gehirn regelrecht dazu, sich mit allen verfügbaren Ressourcen darauf zu konzentrieren, an diese vielen kleinen Aufgaben zu denken. Wem geht da nicht auf Dauer die Puste aus?

Die Konsequenzen sind Erschöpfung, mentale Müdigkeit, Konzentrationsprobleme oder hohe Reizbarkeit. Wer seinen Mental Load gar nicht erst bemerkt oder die Symptome einfach ignoriert und weitermacht wie bisher, riskiert sogar einen Burnout.

7 Tipps, wie Sie Mental Load entkommen

Es hilft also nichts: Wir alle müssen ran. Denn das Problem können Frauen wie Männer nur gemeinsam lösen. Wenn wir für diese Gemeinschaftsarbeit bereit sind, können wir Schritte unternehmen, um die Belastungen zu reduzieren und gemeinsam ein ausgeglicheneres und zufriedeneres Leben zu führen.

1. Sorgen Sie für sich selbst!

Legen Sie immer wieder Pausen ein, sorgen Sie für ausreichend Schlaf (okay, zugegeben, mit einem kleinen Kind ist das oft schwer) und für eine gesunde Ernährung. Entspannungsübungen aus dem Yoga oder der Meditation können helfen, den mentalen Marathon zu beenden und den eigenen Bedürfnissen wieder mehr Achtsamkeit zu schenken.

2. Verschriftlichen Sie Ihre einzelnen Aufgaben

Die vielen To-dos und "Man müsste mal"-Gedanken haben Sie womöglich nur im Kopf. Haben Sie es verschriftlicht, können Sie sie – zumindest vorübergehend – hinten anstellen und loslassen.

3. Priorisieren Sie: Was ist wirklich wichtig?

Nicht alle Aufgaben auf der To-do-Liste sind gleich wichtig. Trennen Sie Wichtiges von Unwichtigem und priorisieren Sie: Welche sind dringlich? Welche können warten, obwohl sie wichtig sind? Und was kann ich ganz sein lassen, weil es nur meinem perfektionistischen Anspruch dient? Was kann ich eventuell abgeben und muss es nicht selbst erledigen?

4. Teilen Sie Verantwortlichkeiten

Eine weitere Strategie ist es, Verantwortlichkeiten zu teilen, anstatt einzelne Aufgaben zu delegieren. Ziel muss sein, dass Sie ein ganzes Aufgabenpaket abgeben, so dass Sie es nicht mehr im Kopf haben.

"Sag mir doch, was ich tun soll, dann helfe ich dir" ist ein typischer Satz, der zwar gut gemeint, aber nicht entlastend ist. Denn den Überblick über die Dinge müssen Sie dann trotzdem behalten – und damit bleiben die Aufgaben auch weiterhin in Ihrem Kopf.

Zum Aufgabenpaket Kindergeburtstag gehört zum Beispiel:

1. Eltern die Zusage für Teilnahme am Geburtstag schicken.

​​​​​​​2. Geschenk überlegen; mit anderen Eltern Rücksprache halten bzgl. eines gemeinsamen Geschenks; Geburtstagskind nach Wünschen fragen.

3. Geschenk besorgen; Geschenk einpacken, ggfs. Geschenkpapier besorgen; Kind zum Geburtstag bringen oder dafür sorgen, dass es durch jemand anderen gebracht/geholt wird.

​​​​​​​4. Ggf. andere Nachmittagsaktivitäten (Kinderturnen etc.) absagen.

5. Geschwisterkind umorganisieren, z. B. weil das Auto nicht zur Verfügung steht.

6. Geschwisterkind muss von jemand anderem gebracht werden.

7. Ggf. Kita/Hort/Schule Bescheid geben (Zettel schreiben), dass das Kind mit jemand anderem mitgeht
(auch hier: Häufig ist es so, dass der Mann das Kind fährt, alles andere organisiert die Frau).

5. Legen Sie Standards fest

Verständigen Sie sich über Ihre Standards. Manches Mal werden "Arbeitspakete” vollständig abgegeben, und es kommt trotzdem zum permanenten Streit – weil man z. B. unterschiedlicher Ansicht ist, was es heißt, die Wohnung zu saugen. Soll das ein, zwei oder drei Mal die Woche passieren? Grob den Flur oder auch die Ecken mit den Spinnweben? Sie mögen schmunzeln, aber genau das sind die Steine, über die Paare regelmäßig stolpern.

6. Fordern Sie Männer proaktiv auf, in Elternzeit zu gehen

Wenn Sie Führungskraft sind: Fordern Sie proaktiv Ihre männlichen Mitarbeiter auf, mehr als die üblichen zwei Monate Elternzeit zu nehmen. Es ist erwiesen, dass sich an dieser Stelle bereits entscheidet, wie das Paar die Care-Arbeit auch in späteren Jahren aufteilen wird.

Und sprechen Sie laut über aktive Vaterschaft und männliche Care-Arbeit, unterstützen Sie Väternetzwerke in Ihrem Unternehmen. Denn eine nachhaltige Veränderung kann nur mit den Vätern funktionieren.

7. Kommen und bleiben Sie mit Ihrem/Ihrer Partner:in im Gespräch

Zugegeben, das ist keine leichte Aufgabe. Schon gar nicht, wenn sich die Routinen, Konfliktherde und Unzufriedenheiten über Jahre hinweg manifestiert haben. Aber Sie kommen nicht drumherum. Nur wenn Sie miteinander sprechen, können Sie voneinander wissen, wie es Ihnen in Ihren jeweiligen Rollen geht.

Erzählen Sie dabei ohne Vorwürfe von sich in der „Ich“-Form: wie Sie sich fühlen, was Sie alles tun, was Sie belastet, welche Gedanken in Ihrem Kopf toben und wie Sie über ihre gemeinsame Beziehung denken. Denn Ihr Gegenüber kann nicht in Ihren Kopf schauen und weiß nicht, was da vor sich geht.

Außerdem können vollkommen unterschiedliche Aspekte von Mental Load belastend sein: Während die eine Person sich nicht über die immer gleichen Sachen streiten möchte, fühlt sich die andere in ihrer zugewiesenen Rolle als Organisatorin nicht wohl, und eine dritte sorgt sich um die Höhe ihrer Teilzeitrente.

Und auch ein Mann kann unter einer traditionellen Rollenvorstellung leiden. Über diese vermeintlichen Details müssen Sie sich jedoch mit Ihrer Partnerin oder Ihrem Partner verständigen. Andernfalls reden Sie aneinander vorbei und können keinen gemeinsamen Weg finden.

Buch-Tipps zum Thema Mental Load:

Cammarata, Patricia (2020): Raus aus der Mental Load-Falle: Wie gerechte Arbeitsteilung in der Familie gelingt.

Fröhlich, Laura (2020): Die Frau fürs Leben ist nicht das Mädchen für alles: Was Eltern gewinnen, wenn sie den Mental Load teilen.

Gaida, Roman (2022): Working Dad: Vereinbarkeit von aktiver Vaterrolle und Karriere leben.

Moorstedt, Tobias (2022): Wir schlechten guten Väter: Warum Männer sich erfolgreich gegen Familienarbeit wehren – und warum wir das dringend ändern müssen.
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Sie möchten mehr zum Thema Mental Load erfahren? ​​​​​​​

Hören Sie spannende Vorträge zum Thema Mental Load oder nehmen Sie gemeinsam mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin an einem Gruppencoaching teil.

 

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