Schwerbehinderung: Alles Wichtige auf einen Blick
Eine Schwerbehinderung liegt vor, wenn bei einer Person ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 festgestellt wird. Ziel ist es, Betroffenen besondere Rechte und Nachteilsausgleiche zu gewähren, um ihre gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. In diesem Artikel erfahren Sie, wie Schwerbehinderung gesetzlich definiert ist, wie der GdB festgestellt wird, welche Rechte damit verbunden sind und wie Sie einen Schwerbehindertenausweis beantragen können.
Fachexpertin: Christin Pagel, Inklusionsbeauftragte, pme Familienservice
Lesen Sie in diesem Artikel:
- Was ist eine Schwerbehinderung
- Welche gesetzlichen Grundlagen gibt es für die Schwerbehinderung?
- Was ist im Sozialgesetzbuch (SGB IX) geregelt?
- Was ist die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV)?
- Wie wird der Grad der Behinderung (GdB) festgestellt?
- Was sind Merkzeichen und wofür sind sie wichtig?
- Welche Rechte haben Menschen mit (Schwer-)Behinderung?
- Wie kann man Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen beantragen?
- Wie stelle ich einen Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung?
- Alltag und Herausforderungen von Menschen mit Schwerbehinderung
- FAQ – Häufige Fragen zur Schwerbehinderung
- Weiterführende Informationen und Quellen
Was ist eine Schwerbehinderung?
Eine Schwerbehinderung liegt vor, wenn eine körperliche, geistige oder seelische Beeinträchtigung mit einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 festgestellt wurde. Der GdB wird in Zehnerschritten von 20 bis 100 vergeben – je höher, desto stärker ist die Beeinträchtigung.
Zweck der Einstufung
Menschen mit erheblicher Behinderung erhalten besondere rechtliche Schutzmaßnahmen und Nachteilsausgleiche, damit sie gleichberechtigt am sozialen, beruflichen und gesellschaftlichen Leben teilnehmen können und Diskriminierung vermieden wird.
Wie viele Menschen in Deutschland sind schwerbehindert?
Zum Jahresende 2023 lebten in Deutschland rund 7,9 Millionen Menschen mit schwerer Behinderung. Das entspricht 9,3 Prozent der deutschen Bevölkerung. Knapp 91 Prozent der schweren Behinderungen wurden durch eine Krankheit verursacht.
Quelle: Destatis 2024
Welche gesetzlichen Grundlagen gibt es für die Schwerbehinderung?
Was ist im Sozialgesetzbuch (SGB IX) geregelt?
Das Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) regelt die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Deutschland und definiert die Schwerbehinderung. Es beschreibt, wer als schwerbehindert gilt und welche Unterstützung Betroffene erhalten.
Was ist die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV)?
Die VersMedV legt die medizinischen Kriterien fest, mit denen der Grad der Behinderung (GdB) bestimmt wird. Sie bewertet einzelne Funktionsbereiche wie Sinnesorgane, Bewegung, Psyche.
Wie wird der Grad der Behinderung (GdB) festgestellt?
Die Feststellung erfolgt durch Versorgungsämter oder Rehabilitationsträger nach Antrag. Bewertet werden Funktionsschädigungen, die länger als sechs Monate andauern und die Teilhabe einschränken. Benötigt werden dafür medizinische Gutachten und Befunde. Ein GdB von mindestens 50 bedeutet die Anerkennung als schwerbehindert.
Was sind Merkzeichen und wofür sind sie wichtig?
Neben dem GdB können Merkzeichen vergeben werden, die besondere Einschränkungen oder Bedürfnisse kennzeichnen, z. B.:
- G: gehbehindert
- aG: außergewöhnlich gehbehindert
- B: Begleitperson erforderlich
- H: hilflos
- RF: Rundfunkgebührenbefreiung
Diese Merkzeichen sind Grundlage für spezielle Nachteilsausgleiche.
Welche Rechte haben Menschen mit (Schwer-)Behinderung?
Menschen mit Schwerbehinderung haben unter anderem Anspruch auf:
- Kündigungsschutz und besondere Schutzfristen im Arbeitsverhältnis
- Zusatzurlaub und besondere Arbeitszeitregelungen
- Steuerliche Vergünstigungen (bereits ab GdB 20 möglich)
- Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis (ab GdB 50)
- Erleichterungen bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel (ab GdB 50)
- Anspruch auf Integrationshilfen und besondere Fördermaßnahmen
- Schutz vor Diskriminierung und Anspruch auf Barrierefreiheit
Ab einem GDB von 50 haben Sie Anspruch auf fünf zusätzliche Tage Urlaub im Jahr.
Wie kann man Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen beantragen?
Personen mit einem GdB von mindestens 30 (aber unter 50) können bei der Arbeitsagentur eine Gleichstellung beantragen. Diese gewährt ausgewählte Rechte am Arbeitplatz, ähnlich denen schwerbehinderter Menschen, z. B.:
- Kündigungsschutz
- Finanzielle Hilfen für einen angepassten Arbeitsplatz
- Förderung durch Integrationsämter
Wie stelle ich einen Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung?
Der Antrag auf Feststellung einer Schwerbehinderung ist bei der zuständigen Versorgungsbehörde (in der Regel das Versorgungsamt) zu stellen.
- Fügen Sie dem Antrag alle medizinischen Berichte und Befunde bei, die die Funktionsschädigungen belegen.
- Stellen Sie den Antrag möglichst vollständig und früh, da die Bearbeitung Wochen bis Monate dauern kann.
- Hilfreich sind Vordrucke für den Antrag, die es bei den Versorgungsämtern oder online gibt.
- Wichtig: Der GdB wird bei Genehmigung rückwirkend ab Antragstellung bewilligt.
"Es kann hilfreich sein, wenn Sie dem Antrag und den ärztlichen Unterlagen ein persönliches Anschreiben beifügen, in dem Sie Ihre Beeinträchtigungen im beruflichen, sozialen und privaten Umfeld ausführlich schildern." Christin Pagel, Inklusionsbeautragte pme Familienservice
Was tun bei Ablehnung oder niedrigem GdB?
Wird der Antrag abgelehnt oder der Grad der Behinderung niedriger festgesetzt als erwartet, können Sie Widerspruch einlegen. Das ist zu beachten:
- Reichen Sie den Widerspruch schriftlich innerhalb eines Monats bei der Behörde ein, die den Bescheid erlassen hat.
- Fügen Sie dem Widerspruch neue oder ergänzende medizinische Nachweise bei, die die Beurteilung positiv beeinflussen könnten.
- Falls der Widerspruch abgelehnt wird, besteht die Möglichkeit, vor dem Sozialgericht zu klagen.
"Es empfiehlt sich auf jeden Fall, einen Antrag auf eine Schwerbehinderung zu stellen. Lassen Sie sich nicht entmutigen, falls der erste Bescheid nicht Ihren Erwartungen entspricht, sondern legen Sie Widerspruch ein." Christin Pagel, Inklusionsbeauftragte pme Familienservice
Schwerbehindertenausweis: befristet oder unbefristet?
Der Schwerbehindertenausweis wird in der Regel befristet (z. B. 1-5 Jahre) und unter bestimmten Voraussetzungen unbefristet ausgestellt.
- Der Schwerbehindertenausweis ist befristet, wenn sich der Gesundheitszustand ändern kann (z. B. bei Krankheiten mit möglicher Besserung oder Verschlechterung).
- Bei dauerhaften Behinderungen wird der Ausweis meist unbefristet ausgestellt.
- Die Befristung und Gültigkeitsdauer sind auf dem Ausweis vermerkt.
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Alltag und Herausforderungen von Menschen mit Schwerbehinderung
Barrierefreiheit im öffentlichen Raum und im Verkehr
Barrierefreiheit ist zentral für die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Schwerbehinderung. Öffentliche Gebäude, Verkehrsmittel, Straßen und Plätze müssen so gestaltet sein, dass sie für alle zugänglich sind – z. B. mit Rampen, taktilen Leitsystemen, barrierefreien Toiletten und gut lesbaren Informationen.
Der VdK hat Anfang August 2025 über das Umfrageinstitut Civey 1.000 Menschen mit dauerhaften körperlichen Einschränkungen zum Stand der Barrierefreiheit in Deutschland und zu den barrierereichsten Lebensbereichen befragt. Größte Hürden sehen über 40 % im Bereich Mobilität, z. B. fehlende Aufzüge, unlesbare Fahrpläne oder nicht barrierefreie Automaten. Auch Freizeit (knapp 30 %) und Arbeit (17,4 %) sind oft nicht inklusiv. Generell fühlt sich die Mehrheit der Befragten (63 %) von der Politik schlecht vertreten, wenn es um ihre Belange zur Barrierefreiheit geht.
Arbeitswelt: Chancen, Rechte und Unterstützung
Arbeitgeber sind verpflichtet, schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen (Schwerbehindertenquote) und ihnen geeignete Arbeitsplätze bereitzustellen. Es gibt vielfältige Unterstützungsangebote wie das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM), das z. B. auch beim Antragsverfahren zu Schwerbehinderung unterstützt, Integrationsämter/Integrationsfachdienste sowie technische und finanzielle Hilfen.
Bildung und soziale Teilhabe
Der Zugang zu Bildung und Ausbildung soll für Menschen mit Schwerbehinderung barrierefrei und inklusiv gestaltet werden. Mit speziellen Fördermaßnahmen, Nachteilsausgleichen und Unterstützung durch Integrationshelfer:innen soll Chancengleichheit gewährleistet werden.
Freizeitangebote und soziale Aktivitäten sollten für Menschen mit Schwerbehinderung zugänglich sein. Barrierefreie Sportstätten, Kulturangebote und Begegnungsstätten fördern die soziale Integration und Lebensqualität.
Psychosoziale Aspekte und Unterstützungsmöglichkeiten
Schwerbehinderte Menschen können psychosoziale Belastungen erfahren, z. B. durch Ausgrenzung oder gesundheitliche Einschränkungen.
Im Auftrag von mehr als 1.400 Arbeitgebern unterstützt die pme Familienservice Gruppe Mitarbeitende, Beruf und Privatleben gelingend zu vereinbaren und mit freiem Kopf arbeiten zu können.
Wir unterstützen Beschäftigte unserer Kundenunternehmen mit entsprechendem Vertrag gerne bei der Antragstellung und beim Prozedere rund um Schwerbehinderung. Unser Lebenslagen-Coaching leistet psychosoziale Unterstützung und hilft unter anderem bei der Suche nach Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen.
FAQ – Häufige Fragen zur Schwerbehinderung
Was ist der Grad der Behinderung (GdB)?
Der Grad der Behinderung (GdB) gibt an, wie stark Ihre körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigungen sind. Er wird in Zehnerschritten von 20 bis 100 festgelegt.
Wie beantrage ich einen Schwerbehindertenausweis?
Sie stellen den Antrag bei Ihrer zuständigen Versorgungsbehörde (meist das Versorgungsamt) und fügen alle relevanten ärztlichen Unterlagen bei.
Wie kann ich meinen Antrag auf Schwerbehinderung unterstützen?
Reichen Sie möglichst alle ärztlichen Nachweise ein und beschreiben Sie Ihre Beeinträchtigungen im Alltag detailliert.
Welche Rechte habe ich als schwerbehinderte Person?
Sie haben Anspruch auf besonderen Kündigungsschutz, Zusatzurlaub, Steuervergünstigungen, Nachteilsausgleiche am Arbeitsplatz und weitere Unterstützung.
Wie lange dauert es, bis der Antrag bearbeitet ist?
Die Bearbeitung kann mehrere Wochen bis Monate dauern. Der GdB wird rückwirkend ab Antragstellung anerkannt.
Was kann ich tun, wenn mein Antrag abgelehnt wird oder der Bescheid nicht meinen Erwartungen entspricht?
Sie können innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen und gegebenenfalls vor dem Sozialgericht Klage erheben.
Wie lange ist der Schwerbehindertenausweis gültig?
Der Ausweis wird meist befristet ausgestellt. Je nach Gesundheitszustand kann er aber auch unbefristet gelten.
Was bedeutet Gleichstellung bei einem GdB unter 50?
Wenn Ihr Grad der Behinderung zwischen 30 und 49 liegt, können Sie auf Antrag bei der Arbeitsagentur gleichgestellt werden. Dadurch erhalten Sie ähnliche Rechte und Nachteilsausgleiche im Arbeitsleben wie schwerbehinderte Menschen, z. B. besonderen Kündigungsschutz und Unterstützung bei der Arbeitsplatzgestaltung.
Weiterführende Informationen und Quellen
Destatis – Zahlen zur Schwerbehinderung
VdK-Umfrage zu Barrierefreiheit
Rehadat – Angebote für Arbeit und Integration
Familienratgeber – Informationsportal Schwerbehinderung
Behindertenbeauftragter für Barrierefreiheit
Einheitliche Ansprechstelle für Arbeitgeber (EAA)
Arbeitsagentur: Studieren mit Behinderung
Studierendenwerke: Studieren mit Behinderung
Nakos: Wir stärken Selbsthilfe
Broschüre: Wegweiser für Menschen mit Behinderung (Bayern)
Bundesagentur für Arbeit: Informationen zur Gleichstellung
Bayern: Menschen mit Behinderung