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Sven Hannawald ist auf dem Fotos zu sehen bei einem Skisprung
Psyche

Sven Hannawald: "Mein Burnout war ein freier Fall"

Als Gewinner der Vierschanzentournee, Olympiasieger und vierfacher Weltmeister ist Sven Hannwald einer der bekanntesten Skispringer unserer Zeit. Doch die hohen Anforderungen an den Sportler führten zum Zusammenbruch. Diagnose: Burnout. Sven Hannawald erzählt im Interview, wie er sein Leben wieder in Balance brachte, und was er heute besser kann als damals.

Was bedeutet für Sie, perfekt zu sein?

Sven Hannwald: Was ist schon perfekt? Es müssen auch die Rahmenbedingungen stimmen. Beim Skispringen gibt es feste aerodynamische und physikalische Grundsätze, wo ich mich integrieren musste. Je besser die Rahmenbedingungen waren, desto besser konnte das Ergebnis werden.

Ich merke, dass ich mich mit halben Aufgaben nicht zufriedengeben kann. Das ist etwas, was mich nie loslassen wird. Im Leistungssport hat mich das 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche begleitet, ohne dabei Pausen einzulegen. Das hat im Nachgang dazu geführt, dass ich Skispringen aufgrund des Burnouts aufgeben musste.

Muss ich ein Perfektionist sein, um Höchstleistung zu erreichen?

Ich glaube schon. Die Sportler, die in der Weltspitze ankommen, müssen ein Stück weit Perfektionisten sein. Sie analysieren ihren Körper und ihre Leistung ganz genau, um das Maximale herauszuholen. Je weiter man nach oben möchte, umso spezialisierter muss man an das Training herangehen. Das macht sie auf ihrem Weg erfolgreicher als andere, verlangt aber auch entsprechende Ruhephasen. Diese Ruhephasen habe ich mir damals zu wenig gegönnt, da ich ein schlechtes Gewissen hatte.

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Nach vielen Jahren des Leistungssports folgte eine tiefe Erschöpfung in Form von Burnout. Ihr Befinden pendelte zwischen körperlichen und seelischen Extremsituationen. Wie fühlt sich das an?

Ich habe mich so lange über Wasser gehalten, bis ich keine Kraft mehr hatte und untergegangen bin. Als ich mich dem Stress endlich entzogen hatte, kam der völlige Zusammenbruch. Es war wie ein freier Fall ins völlige Chaos. Eine Lebensveränderung, die mich von heute auf morgen überwältigte. Wenn man die Signale nicht ernst nimmt, kommt der Punkt, wo es rapide abwärts geht. Ich musste erst gegen die Wand laufen, um den Knall zu hören.

Viele Menschen befinden sich in einem Dauerzustand des Schaffens und Gebens. Warum fällt es Menschen schwer, öfters Pausen zu machen?

Wer sehr tief in seinen Abläufen und Verpflichtungen steckt, dem fällt es meist schwer, das Rad etwas ruhiger laufen zu lassen. Da darf man sich nicht übergehen, sondern muss täglich in den Spiegel schauen und sich sagen, dass man jetzt Ruhe braucht. Das war genau der Punkt, an dem ich damals stand. Wenn der Körper die Signale sendet, dass man müde und geschafft ist, dann sollte man sich rausnehmen. Das konnte ich damals nicht. In mir war der Glaubenssatz verankert, dass ich mit Ausruhen keine Wettkämpfe gewinnen kann. Das hat mir immer ein schlechtes Gewissen bereitet, obwohl mein Körper auch mal Freiraum brauchte.

Wir Menschen haben die unterschiedlichsten Erfahrungen in unserer Kindheit und Jugend gesammelt. In dieser Zeit entstehen viele Glaubenssätze in unseren Köpfen. Viele sind der Meinung, sie müssten funktionieren, um etwas zu leisten. Phasenweise ist das auch wichtig, um bestimmte Ziele zu erreichen. Aber danach muss man sich die entsprechende Ruhe gönnen. Da reichen 30 Minuten Spazierengehen manchmal nicht aus, um den Akku wieder zu laden.

Persönliche Krisen, Überlastungserscheinungen, körperliche und geistige Erschöpfungsreaktionen werden häufig als Schwäche angesehen. Woher kommt das, und wie können wir ein neues Bewusstsein schaffen?

Das ist ein Charakterthema. Jeder muss für sich selbst entscheiden, wie viel Ruhe sein Körper braucht und welche Belastung er aushält. Sich dieser Tatsache bewusst zu sein, ist eher eine Stärke. Da dürfen andere nicht mit dem Finger darauf zeigen, weil jeder Mensch anders ist.

Als Erwachsene sind wir immer die Vorbilder gegenüber unseren Kindern. Manche glauben, sie dürfen vor ihren Kindern keine Schwäche zeigen. Aber das ist genau der Punkt, der alles schlimmer macht. Die Kinder wachsen ohnehin schon in eine Welt hinein, wo Prozesse in Zukunft immer schneller laufen werden und es noch mehr Möglichkeiten der Überlastung geben wird.

Welche Ihrer Fähigkeiten und Stärken haben Ihnen geholfen, Ihr Leben wieder in Balance zu bekommen? Was können Sie heute besser als Ihr jüngeres Ich?

Ich weiß heute genau, wann und wie oft ich meine Pausen brauche. Klar gibt es Momente, wo ich viel arbeiten muss, aber nach anstrengenden Phasen nehme ich mich komplett raus, um wieder Ruhe zu finden. Ich weiß, dass ich ein Vollgastyp bin, nehme mir aber bewusst meine Auszeiten.

Wenn Sie einfach mal abschalten und Kraft tanken wollen: Wie gelingt Ihnen das?

Ich liebe die Familie und die Natur. Das gibt mir Kraft. Gerade jetzt in der Winterzeit ist es toll, den Schnee zu genießen, mit den Kindern ein Iglu zu bauen oder Schlitten zu fahren. Natürlich bin ich auch immer noch ein Sportler, deshalb ist Bewegung ein wichtiger Ausgleich für mich.

Wenn das Leben ein Film wäre: Würden Sie eher eine Vorspul-, Rückspul- oder Pause-Taste einbauen?

Wenn ich zurückspulen würde, hätte ich nicht die Garantie, das zu erreichen, was ich erreicht habe. Ich weiß, dass das Tief, das ich erleben musste, ein Resultat aus dem Hoch war, das ich auf keinen Fall missen möchte. Ich habe meinen Kindheitstraum erfüllen können, daher lasse ich alles so stehen, wie es ist.

Sven Hannawald ist einer der bekanntesten Skispringer unserer Zeit. Beruflich ist er heute als TV-Experte und Unternehmensberater gefragt. Außerdem gibt er als Corporate Health Botschafter wertvolle Impulse für Stress- und Burnout-Prävention im Berufs- und Privatleben.

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