Mutter stillt ihr neugeborenes Baby
Eltern & Kind

Stillstart-Tipps von NotdienstHebamme

Für frischgebackene Eltern ist die Stillzeit eine wundervolle, aber oft auch herausfordernde Phase, die viele Fragen und manchmal Unsicherheiten mit sich bringt. 

Hebamme Katharina steht Müttern und Vätern in dieser besonderen Zeit mit Rat und Tat zur Seite. Mit ihrem Online-Angebot „NotdienstHebamme“ vermittelt sie ihr Wissen zu Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Rückbildung – sowohl in Online-Kursen als auch in Beratungssprechstunden. 

Im Interview verrät uns Katharina ihre wichtigsten Tipps rund ums Stillen: Was gehört für sie zu einem gelungenen Stillstart? Was können Mütter tun, wenn das Stillen nicht sofort klappt? Und wie können Partner:innen in dieser Zeit emotional und praktisch unterstützen? 

Liebe Katharina, welche Tipps gehören zu einem gelingenden Stillstart direkt nach der Geburt?

Hebamme Katharina von Notdiensthebamme: Ein gelingender Stillstart beginnt idealerweise in der sogenannten “goldenen Stunde”. Haut-zu-Haut-Kontakt ist hier zentral: Er stabilisiert die Körpertemperatur, beruhigt Mutter und Kind und stimuliert die Ausschüttung von Oxytocin – das bindet, unterstützt die Rückbildung der Gebärmutter und erleichtert den Milchspendereflex. 

Ein weiterer wertvoller Aspekt ist das „Breast Crawl“ – das intuitive Krabbeln zur Brust. Wenn das Baby diesen natürlichen Weg gehen darf, stärkt das seine Reflexe und erleichtert das Anlegen enorm. Für viele Frauen ist dieser intuitive Stillbeginn eine ermutigende Erfahrung, die ihnen gleich zu Beginn zu einem liebevollen Stillrhythmus verhilft. 

Wie unterstützt du, wenn das Stillen Schwierigkeiten bereitet? 

Idealerweise gibt es keine Stillprobleme. Das bedeutet, dass ich sehr viel Zeit in eine gute Vorbereitung auf die Geburt, die Zeit mit dem Baby und das Stillen verwende. Aber natürlich hilft das nicht, jedes Stillproblem zu vermeiden. Stillprobleme wie wunde Brustwarzen, Milchstau oder Unsicherheit beim Anlegen sind häufig – und nicht ungewöhnlich. Hebammen sind gerade dann eine wichtige Stütze.  

Ich beginne mit der Kontrolle der Stillposition. Eine kleine Anpassung kann Schmerzen lindern und die Milchaufnahme verbessern. Die passende Stillposition zu finden braucht oft etwas Geduld, aber dann lassen die Schmerzen rasch nach. 

Zudem ist ein häufiges, korrektes Anlegen entscheidend für ausreichende Milchbildung – besonders in den ersten Tagen, wenn das Angebot-Rhythmus-Prinzip noch nicht stabil ist. Sanfte Brustmassagen vor dem Stillen können den Milchspendereflex zusätzlich fördern. Das schon in der Schwangerschaft zu üben lohnt sich. 

Und wenn Stillen nicht möglich ist – welche Alternativen gibt es, und wie begleitest du Mütter dann?

Es gibt unterschiedliche Gründe, warum Frauen nicht stillen wollen oder können. Die medizinischen Gründe sind wirklich selten. Muttermilchersatznahrung (Säuglingsanfangsnahrung) ist dann eine sichere, geprüfte Alternative: Entscheidend ist die korrekte Zubereitung – sauberes Wasser, genaue Dosierung, hygienisches Handling. Wichtig ist, darauf zu achten, dass die Nahrung Pro- und Präbiotika enthält, um die Darmflora des Babys gut zu unterstützen. 

Flaschenbabys müssen nicht auf Nähe verzichten. Deshalb ermutige ich die Mütter, die nicht stillen wollen oder können, dem Baby die gleiche Nähe beim Füttern mit dem Fläschchen zu geben, wie es beim Stillen normal wäre. 

Manchmal ist auch abgepumpte Muttermilch eine Übergangs- oder Ergänzungsoption. Mein Ansatz ist klar: Entscheidungen werden ohne Wertung getragen. Ob direktes Stillen, Pumpen oder Fläschchen – die Bindung entsteht durch Nähe, Wärme und Fürsorge, nicht allein durch die Art der Ernährung. 

Katharinas Hebammen-Mantra für das Stillen: 

„Stillen ist ein Zusammenspiel von Körper, Bindung und innerer Balance. Wenn diese Komponenten im Einklang sind, wird die Erfahrung zu etwas Wunderbarem – und wenn nicht, gibt es auch liebevolle Wege jenseits der Brust.” 

Wie kann das Umfeld, etwa der/die Partner:in, beim Stillen unterstützend sein?

Partner:innen spielen eine essenzielle Rolle – auch wenn sie nicht stillen: 

  • Sie können durch praktische Hilfe wie Essen, Getränke, Haushalt oder Windelwechseln enorm entlasten.
  • Emotional sind ein ermutigendes Wort oder liebevolle Gesten während der anstrengenden Stillzeiten oft viel wert. 
  • Besonders hilfreich ist, wenn der/die Partner:in aktiv  unterstützt: Wasser reichen beim Stillen, das Baby sanft nach der Mahlzeit übernehmen oder Besuchszeiten regulieren. 

Diese Unterstützung schafft Raum für Ruhe, Selbstvertrauen und einen entspannten Stillrhythmus. Auch beim Anlegen können die/der Partner:in hilfreich sein. Deshalb ist es gut, wenn auch er/sie sich schon vor der Geburt mit dem Handling beim Stillen vertraut macht. 


 

Welche Bedeutung haben Ernährung und Wohlbefinden der Mutter für das Stillen? Gibt es Tabus? 

Muttermilch ist Nahrungs- und Schutzquelle in einem – perfekt auf den Bedarf des Kindes abgestimmt und immunschützend. Sie enthält Antikörper und unterstützt die körperliche und emotionale Anpassung beider. 

Für stillende Mütter gibt es keine strikte Diät 

Vielmehr ist eine ausgewogene, abwechslungsreiche Ernährung (mit Proteinen, Vitaminen, Omega-3-Fettsäuren), verbunden mit regelmäßiger Flüssigkeitszufuhr, zentral. Wasser oder Tee nach Durst sind ausreichend – spezielle Milchbildungstees sind nicht nötig. Sie haben keinen nachgewiesenen medizinischen Effekt. Von Fencheltee wird allerdings von Seiten der EMA explizit abgeraten, da im Tierversuch nachgewiesen wurde, dass das darin enthaltene Estragol krebserregend sein kann. 

Tabu hingegen ist der Alkohol- und Nikotinkonsum – Medikamente nur nach Rücksprache

Alkohol gelangt in die Muttermilch und hat Auswirkungen auf das Baby. Auch die Reaktionsgeschwindigkeit der Eltern sollte so gut sein, wie es möglich ist. Alkohol hemmt die Reaktionsfähigkeit und ist allein deshalb schon tabu.

Auch Nikotin sollte gemieden werden. Es schadet dem Baby in der Luft, an den Kleidern der Bezugspersonen und auch in der Muttermilch. Auch manche Medikamente gehen in die Muttermilch. Deshalb sollten Medikamente niemals ohne Rücksprache mit Hebamme, Arzt oder Ärztin genommen werden. 

Ansonsten gilt: Wer entspannt und ausgeglichen ist, stillt leichter und länger

Vielen Dank für das Interview liebe Katharina! 

 

Hebammenservice vor und nach der Geburt 

Der pme Familienservice bietet in Kooperation mit NotdienstHebamme eine professionelle Begleitung und Ergänzung zur ambulanten Hebammenbetreuung an: 

1. Geprüfte Online-Kurse: Mit den geprüften Tipps und praktischen Anleitungen erhalten frischgebackene Eltern und Schwangere in den Online-Kursen von NotdienstHebamme umfangreiche und jederzeit abrufbare Unterstützung – ideal auch zur Vorbereitung auf den Familienzuwachs.  

Zu folgenden Themen stehen Online-Kurse zur Verfügung: Geburtsvorbereitung, Säuglingspflege, Rückbildung, Babymassage, Stillen.

Onlinekurs Stillen von NotdienstHebamme

Der Onlinekurs Stillen von NotdienstHebamme enthält umfangreiche Vorbereitung auf das Stillen, Vorstellung von unterschiedlichen Anlegepositionen und Hilfe bei Schmerzen und Stillproblemen. Inkl. “E-Book-Stillen" mit über 50 Seiten und allen Themen nochmal schriftlich aufbereitet.

 

2. Hebammensprechstunde: Mit der Hebammenberatung von NotdienstHebamme per Videochat, Telefon oder E-Mail erhalten Eltern schnell Antworten und Unterstützung, auch bei psychosozialen Belastungen wie Stimmungsschwankungen und Babyblues. 

Weitere Informationen zur Kooperation mit NotdienstHebamme finden Sie im Serviceportal Mein Familienservice. Sie sind noch kein:e Kund:in des pme Familienservice? Kontaktieren Sie uns

 

FAQ zum Stillstart und zur Stillzeit

1. Was versteht man unter der „goldenen Stunde“ beim Stillstart? 

Die „goldene Stunde“ bezeichnet die erste Stunde nach der Geburt, in der Haut-zu-Haut-Kontakt zwischen Mutter und Baby hergestellt wird. Dies fördert den Stillstart, indem es die Bindung stärkt und den Milchspendereflex unterstützt.

2. Wie kann ich Stillprobleme wie wunde Brustwarzen vermeiden? 

Eine korrekte Stillposition und das regelmäßige, richtige Anlegen des Babys sind entscheidend. Hebammen können helfen, die optimale Position zu finden und damit Schmerzen zu lindern. 

3. Was tun, wenn das Stillen nicht möglich ist? 

Muttermilchersatznahrung ist eine sichere Alternative. Wichtig ist die hygienische Zubereitung. Nähe und Fürsorge beim Füttern sind ebenso wichtig wie die Art der Ernährung.

4. Wie können Partner:innen die Stillzeit unterstützen? 

Praktische Hilfe im Haushalt, emotionale Unterstützung und aktive Mitgestaltung, etwa das Baby nach der Mahlzeit übernehmen, schaffen Entlastung für die stillende Mutter. 

5. Welche Ernährungstipps gelten für stillende Mütter? 

Eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung sowie ausreichend Flüssigkeit sind wichtig. Alkohol, Nikotin sind tabu. Medikament sollten nur in Rücksprache mit Hebamme, Arzt oder Ärztin genommen werden. 

null Cortisol Detox: Gefährlicher Social Media-Trend?

Beauty-Influencerin lächelt in Kamera
Body & Soul

Cortisol Detox: Gefährlicher Social Media-Trend?

Bauchfett, müde Haut, Haarausfall? Die Ursache soll ein einziges Hormon sein: Cortisol. Auf TikTok propagieren Influencer eine sogenannte „Cortisol-Detox“-Kur, die das Stresshormon senken und über Nacht für mehr Schönheit und Wohlbefinden sorgen soll. Klingt verlockend. Doch was steckt wirklich dahinter? Ist „Cortisol-Detox“ der Schlüssel zu einem gesünderen, stressfreieren Leben oder nur ein weiterer fragwürdiger Internet-Hype? (Text: Michèle Penz/Felix Aguntius, Redaktion: Christin Müller)

Ein Social-Media-Trend mit Fragezeichen

Die Idee hinter dem viralen TikTok-Trend: Ein zu hoher Cortisolspiegel soll körperliche Beschwerden wie Gewichtszunahme, Haarausfall, Müdigkeit und Hautprobleme verursachen. Influencer empfehlen Detox-Kuren mit Diäten, Nahrungsergänzungsmitteln und Entspannungstechniken, um das Hormon zu „entgiften“ und das körperliche Wohlbefinden zu steigern.

Medizinische Fachleute sehen den Trend jedoch kritisch. Zwar könne ein zu hoher Cortisol-Spiegel, beispielsweise in Folge von chronischem Stress, gesundheitsschädlich sein, doch ist Cortisol ein lebenswichtiges Hormon, das zahlreiche Körperfunktionen reguliert. Ein pauschales „Entgiften“ sei daher nicht nur überflüssig, sondern potenziell irreführend.

Was ist Cortisol – und warum brauchen wir es?

Cortisol ist ein lebenswichtiges Hormon, das in der Nebennierenrinde produziert wird. Es spielt eine entscheidende Rolle bei der Regulierung von Stoffwechselprozessen, der Immunreaktion und der Stressbewältigung. 

Cortisol wird oft als „Stresshormon“ bezeichnet, weil es in Reaktion auf Stresssituationen ausgeschüttet wird. Es hilft dem Körper, Energie bereitzustellen, indem es den Blutzuckerspiegel erhöht und die Energieproduktion in den Zellen anregt, Entzündungen zu regulieren und den Stoffwechsel sowie den Schlaf-Wach-Rhythmus zu steuern.

Wozu ist Cortisol gut?

Stressreaktion: Wenn unser Körper aufgrund von Stressoren über die initiale „Fight or Flight“-Reaktion leistungsfähig und alarmbereit sein muss, nutzt unser Gehirn die Ausschüttung von Cortisol.

Stoffwechselregulation: Cortisol beeinflusst den Kohlenhydrat-, Fett- und Eiweißstoffwechsel, um sicherzustellen, dass genügend Energie zur Verfügung steht.

Immunsystem: In moderaten Mengen wirkt Cortisol entzündungshemmend und hilft, das Immunsystem zu regulieren.

Regulation unseres Schlaf-Wach-Rhythmus: Cortisol ist der Gegenspieler des schlaffördernden Hormons Melatonin. Unser Cortisolspiegel steigt innerhalb der Morgenstunden auf natürlichem Wege an, damit wir wach und leistungsfähig sind.

 

Wie verhält sich Cortisol im Verlauf des Tages?

Der Cortisolspiegel unterliegt natürlichen Schwankungen, die durch unseren Schlaf-Wach-Rhythmus beeinflusst werden. Morgens, kurz nach dem Aufwachen, ist der Cortisolspiegel am höchsten, um den Körper auf den Tag vorzubereiten. Im Laufe des Tages sinkt der Spiegel und erreicht in der Nacht seinen niedrigsten Punkt. 

Die Referenzwerte liegen bei Erwachsenen zwischen 133–537 nmol/l in der Morgenblutentnahme (7 bis 10 Uhr) und 68-327 nmol/l in der Abendblutentnahme (16 bis 20 Uhr).
 
Tipp: Liegt Ihr Cortisolwert über oder unter dem Normbereich, lassen Sie sich davon nicht verunsichern. Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt darüber, denn einzelne Laborwerte sind häufig nicht aussagekräftig, da sie als Momentaufnahme verstanden werden. Stattdessen sollten sie im Zusammenhang mit anderen Werten und im zeitlichen Verlauf beurteilt werden.

Wenn das körpereigene Cortisol zu hoch oder zu niedrig ist

Stressfaktoren wie körperliche Anstrengung oder emotionale Belastungen können zu kurzfristiger Erhöhung des Cortisolspiegels führen. In der Regel normalisiert sich dieser jedoch nach einem Anstieg wieder von selbst. 

In sehr seltenen Fällen – bei einer zugrundeliegende Erkrankung –  kann der Körper zu viel körpereigenes Cortisol produzieren. 

Der Cortsolspiegel ist zu hoch

Ein dauerhaft hoher Cortisolspiegel (Hypercortisolismus) wird als Cushing-Syndrom bezeichnet. Häufige Symptome sind:

  • Gewichtszunahme an dünnen Extremitäten
  • Symptomatik eines „Mondgesichts“ (Moon Face)
  • Narbenähnliche Streifen in der Haut (Striae)
  • Akne
  • Diabetes
  • Zyklusstörungen und vermehrter Haarwuchs bei Frauen​​​​​​​

Der Cortisolspiegel ist zu niedrig

Jedoch kann nicht nur erhöhtes Cortisol zu negativen Symptomen für unseren Körper führen. Ist unser Cortisolspiegel zu niedrig, kann das lebensbedrohliche Auswirkungen haben. Mögliche Symptome sind:

  • Leistungsabfall, Müdigkeit
  • Schwächegefühl
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Niedriger Blutdruck

Das Ziel sollte also nicht sein, den Cortisolspiegel auf ein Minimum zu senken, sondern eine gesunde Balance zu schaffen.

Cortisol-Detox in Social Media: Was steckt hinter den Methoden?

Wir haben vier besonders populäre Methoden sowie drei verbreitete Mythen einem Realitätscheck unterzogen:

1. Nahrungsergänzungsmittel und Detox-Drinks

Was behauptet wird: Supplements wie Ashwagandha, Magnesium, Maca oder sogenannte Adaptogene sollen helfen, Cortisol zu regulieren und Stress abzubauen. Oft werden sie in Verbindung mit Detox-Drinks vermarktet, die den Körper „reinigen“ und das Wohlbefinden steigern sollen.

Warum das problematisch ist: Zwar gibt es einzelne Studien zu bestimmten Wirkstoffen, die unter spezifischen Bedingungen Effekte zeigen – jedoch nicht in dem universellen Umfang, wie es auf Social Media suggeriert wird. Dosierungen sind häufig nicht standardisiert, und viele Produkte sind weder zugelassen noch ausreichend erforscht. 

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR, 2024) rät etwa explizit von der Einnahme von Ashwagandha ab, da die Wirkung nicht belegt ist und potenzielle Nebenwirkungen unklar sind. Ähnliches gilt für andere beworbene Mittel wie Inositol oder Phosphatidylserin. 

Diese ersetzen keinesfalls eine medizinisch fundierte Therapie bei tatsächlichen hormonellen oder psychischen Erkrankungen. 

Zudem ist der Begriff „Detox“ irreführend – der Körper entgiftet sich durch Leber und Nieren ganz ohne zusätzliche Hilfe.

2. Cortisol-senkende Diäten

Was behauptet wird: „Clean Eating“, Low-Carb oder entzündungshemmende Ernährung soll den Cortisolspiegel stabilisieren und Symptome wie Gewichtszunahme oder Erschöpfung reduzieren.

Warum das fragwürdig ist: Eine ausgewogene, nährstoffreiche Ernährung kann natürlich das Wohlbefinden fördern. Doch eine spezielle „Cortisol-Diät“ existiert wissenschaftlich nicht. 

Extreme Diäten, wie sie auf Social Media oft angepriesen werden, können den Körper zusätzlich belasten und selbst zu einem Stressfaktor werden – mit gegenteiligem Effekt.

3. Morgenroutinen und „Stress-Detox“-Pläne

Was behauptet wird: Bestimmte Tagesabläufe – etwa frühes Aufstehen, kalte Duschen, Atemtechniken und Journaling – sollen helfen, Cortisol zu senken und innere Ruhe zu finden.

Warum das nicht pauschal funktioniert: Stressbewältigung durch Routinen, Bewegung oder Achtsamkeit kann helfen, wenn es zu uns und unserem Leben passt. Pauschale "One size fits all"-Routinen können jedoch kontraproduktiv sein.

Denn dass jeder Mensch durch dieselbe TikTok-Morgenroutine gleich gesünder und entspannter wird, ist illusorisch. Wer sich unter Druck setzt, täglich perfekt „entspannt“ zu sein, erzeugt schnell das Gegenteil: mehr Stress.

4. Verzicht auf Koffein und Digital Detox

Was behauptet wird: Smartphones, Social Media und Koffein seien Stressverstärker – ihr Verzicht soll den Cortisolspiegel senken.

Warum das nicht falsch, aber übertrieben ist: Ein bewusster Umgang mit digitalen Medien und Reizen ist absolut sinnvoll, ebenso wie moderater Koffeinkonsum. 

Aber ein pauschaler Verzicht bringt nicht automatisch hormonelle Entlastung – es kommt auf das individuelle Maß und die persönliche Resilienz an, die sich aus ganz unterschiedlichen Faktoren zusammensetzt.

Drei häufige Fehleinschätzungen über Cortisol

Cortisol = schlecht? Ganz so einfach ist es nicht

Oft wird Cortisol ausschließlich als „negatives Stresshormon“ dargestellt. Dabei ist es lebenswichtig. Es reguliert den Stoffwechsel, unterstützt die Immunabwehr und hilft dem Körper, mit Belastung umzugehen. Nicht „so wenig wie möglich“, sondern ein gesunder Cortisolrhythmus ist entscheidend.

Selbstdiagnosen durch Speichel- oder Urintests

Viele Detox-Influencer bewerben Selbsttests zur Messung des Cortisolspiegels. Doch diese Tests sind ungenau, da der Cortisolwert stark schwankt – je nach Tageszeit, Ernährung, Bewegung oder emotionalem Zustand. Eine seriöse Diagnostik gehört in die Hände von Fachärzt:innen. Auch die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) rät von Hormon-Selbsttests ab, weil sie darüber hinaus oft fehlinterpretiert werden und ohne ärztliche Begleitung zu falschen Schlüssen führen können. 

Körperliche Veränderungen allein durch Stress?

Veränderungen wie ein „Moon Face“ (aufgequollenes Gesicht), starker Haarverlust oder Gewichtszunahme werden auf TikTok und Co. häufig allein mit hohem Cortisol erklärt. In Wahrheit deuten solche Symptome oft auf ernsthafte hormonelle oder metabolische Erkrankungen hin – und gehören medizinisch abgeklärt.

Cortisol und das PCO-Syndrom

Auf TikTok wird oft das Polycystische Ovarialsyndrom (PCO-Syndrom) im Kontext von Cortisol genannt. Das PCO zählt mit 5 bis 10 Prozent zu den häufigsten Hormonstörungen bei Frauen.

Die Symptome des PCO-Syndroms sollen sich durch die Reduktion von Cortisol bessern. Ausgelöst wird das Syndrom über eine vermehrte Produktion männlicher Hormone im Blut (Hyperandrogenämie). Dies kann zu einer erhöhten Insulinresistenz und einer dadurch gesteigerten Insulinproduktion führen. Höhere Level an Insulin können die Produktion von Cortisol steigern. 

Dadurch kann der Eindruck entstehen, dass eine Cortisolminderung die Auswirkungen des Syndroms hemmt. Zwar können Stress und Cortisol Einfluss auf den Hormonhaushalt nehmen – jedoch ist PCO eine komplexe hormonelle Störung.

Das PCO-Syndrom muss durch eine Reihe von klinischen Tests diagnostiziert werden. Die Symptome ähneln sich in einigen Punkten dem Cushing Syndrom, gehen jedoch mit der Bildung von polycystischen Ovarien (gutartige kleine Follikel am Eierstock) darüber hinaus. Die Behandlung zielt auf eine ganzheitliche Stabilisierung des Hormonhaushalts ab. Der reine Fokus auf Cortisol wird daher dem Krankheitsbild nicht gerecht.

Sollten Sie den Verdacht haben, an einem erhöhten Cortisolspiegel oder dem PCO-Syndrom zu leiden, klären Sie die Symptome ärztlich ab.

Cortisol und Gewichtsverlust: Mythos oder Realität?

Ein häufiges Versprechen, das von Influencern in den sozialen Medien gemacht wird, ist, dass eine Senkung des Cortisolspiegels zu einem sofortigen Gewichtsverlust führt. 

Diese Verbindung ist jedoch nicht so einfach, wie sie oft dargestellt wird. Während ein chronisch erhöhter Cortisolspiegel in bestimmten Fällen mit einer Gewichtszunahme, insbesondere im Bauchbereich, in Verbindung gebracht wird, ist die Realität komplexer. Gewichtszunahme kann durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst werden, darunter Ernährung, Bewegungsmangel, genetische Veranlagung und hormonelle Ungleichgewichte. Die Vorstellung, dass allein die Senkung von Cortisol zu einem signifikanten Gewichtsverlust führt, ist irreführend und kann dazu führen, dass Menschen sich auf fragwürdige Detox-Methoden verlassen, anstatt einen ganzheitlichen Ansatz zur Gewichtsreduktion zu verfolgen.

Ernährungsberaterin Giannina Schmelling: 

"Cortisol und Gewichtsveränderungen hängen tatsächlich zusammen. Doch Abnehmen ist komplexer, als es der Trend „Cortisol Detox“ suggeriert. Viele nehmen zu, weil sie ständig Diäten halten und dadurch der Grundumsatz sinkt, weil sie zwischen Verbot und Heißhunger schwanken, weil Bewegung fehlt oder weil Essen zur Emotionsregulation geworden ist. Man isst nicht aus körperlichem Hunger, sondern aus Langeweile, Einsamkeit, Geselligkeit oder weil man glaubt, den Teller immer leeressen zu müssen."

7 Maßnahmen gegen zu viel Cortisol

Die Endokrinologin Dr. Dr. Birgit Harbeck, ​​​​​​​Mediensprecherin der DGE, betonte im Vorfeld des Deutschen Kongresses für Endokrinologie, dass eine Cortisol-Entgiftung nicht nur überflüssig, sondern auch unmöglich ist. Der Körper reguliere den Cortisolspiegel selbstständig, eine bewusste Entgiftung sei schlichtweg nicht notwendig. Stattdessen sollten wir uns darauf konzentrieren, gesunde Strategien zur Stressbewältigung zu entwickeln.

Folgende Strategien können hilfreich sein, um aktiv mit Stress umzugehen und das Wohlbefinden zu fördern:

Regelmäßige Bewegung: Integrieren Sie Bewegung in Ihren Alltag – sei es durch Spaziergänge, Yoga oder Sport. Jede Form von Bewegung hilft, Stress abzubauen. Sie fördert außerdem die Produktion von Endorphinen, die für gute Laune sorgen.

Achtsamkeit und Meditation: Achtsamkeitsübungen und Meditation können helfen, den Geist zu beruhigen und Stress abzubauen. Nehmen Sie sich täglich ein paar Minuten Zeit, um zu atmen und im Hier und Jetzt zu sein.

Gesunde Ernährung: Achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung, die reich an Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und gesunden Fetten ist. Diese Nährstoffe unterstützen nicht nur den Körper, sondern auch die mentale Gesundheit.

Guter Schlaf: Sorgen Sie für ausreichend Schlaf und eine regelmäßige Schlafroutine. Ein erholsamer Schlaf ist entscheidend für die Stressbewältigung und das allgemeine Wohlbefinden.

Soziale Kontakte pflegen: Verbringen Sie Zeit mit Familie und Freunden. Soziale Unterstützung ist ein wichtiger Faktor, um Stress zu reduzieren und das emotionale Wohlbefinden zu stärken.

Entspannungstechniken: Probieren Sie Entspannungstechniken aus, zum Beispiel progressive Muskelentspannung oder Atemübungen, oder kreative Aktivitäten wie Malen oder Musizieren.

Stressbewältigungsstrategien entwickeln: Finden Sie heraus, welche Aktivitäten Ihnen helfen, Stress abzubauen. Das kann Lesen, Gartenarbeit oder einfach nur ein gutes Gespräch sein. Wichtig ist, dass Sie sich Zeit für sich selbst nehmen.

Fazit: Gesunder Lebensstil statt Cortisol Detox

Cortisol Detox klingt wie die schnelle Lösung für viele Alltagsprobleme. Doch die vermeintlichen Wundermittel und Routinen aus dem Netz beruhen oft auf Halbwissen, Marketing oder unklaren Daten. 

Anstatt auf fragwürdige Detox-Methoden sollten wir uns auf die Förderung eines gesunden Lebensstils konzentrieren. Das bedeutet, Stress aktiv zu managen und auf die Signale des Körpers zu hören. Denn ein ausgewogenes Leben ist der beste Weg, um das Wohlbefinden zu steigern.