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Psyche

Sex und Kommunikation: "Wir müssen reden!"

Wir schweben auf Wolke sieben, schmieden Zukunftspläne und scheitern dann doch häufig daran: eine langjährige und glückliche Beziehung zu führen. pme-Mitarbeiterin Dagmar Cassiers ist seit über 20 Jahren Paartherapeutin und Beziehungsberaterin. In Ihrem Buch „Sex-Pass“ stellt sie die These auf, dass unglückliche Paare oft dasselbe Problem eint: die Unzufriedenheit im Bett. Teil 2 des Interviews.

Lesen Sie hier Teil 1 des Interviews.
 

Reden die meisten Paare nicht über ihre sexuellen Bedürfnisse und entstehen dadurch erst Probleme im Bett?

Dagmar Cassiers: Ja, das kann man so sagen. Häufig ist das Sprechen über Sexualität mit Scham behaftet. Häufig fürchte ich auch, den anderen zu verletzen, wenn ich etwas anspreche, das mir im Bett nicht so gut gefällt. Deshalb habe ich in meinem Buch „Sex-Pass“ Fragen gestellt, die sich nicht mit einem einfachen „Ja“ oder „Nein“ beantworten lassen. Stattdessen gibt es Abstufungen wie „ist mir sehr wichtig“, „mag ich“ oder „mag ich nicht“. Mithilfe von Fragen zu verschiedenen sexuellen Bereichen können Paare sich mit ihrer Sexualität auseinandersetzen, müssen aber nicht nach Worten ringen oder Unaussprechliches aussprechen.

Das macht es leichter herauszufinden: Was will ich? Was will der andere? Was mögen wir beide sehr gerne? Und auch: Gibt es große Divergenzen, die wir so stehen lassen können, weil wir genügend andere Bereiche haben, die uns beiden gefallen? Oder kann einer von uns auf spezielle Praktiken partout nicht verzichten oder sie vernachlässigen, und eine Trennung von Tisch und Bett wäre dann das Beste für beide?

Unterschiedliche sexuelle Bedürfnisse bedeuten also nicht gleich das Aus für eine Beziehung. Es kommt auch darauf an, wie viele gemeinsame sexuelle Vorlieben wir haben?

Für die Wahrnehmung der Paare ist es wichtig zu sehen, es gibt nicht nur Divergenzen. Wenn ich ständig mit meinem Partner oder meiner Partnerin über sexuelle Probleme rede, dann fokussiere ich sie auch: die Probleme. Wenn ich aber sehe, wir haben ganz viele sexuelle Bedürfnisse, in denen wir wunderbar zusammenpassen, dann relativieren sich Probleme und einzelne Unstimmigkeiten werden nicht mehr als so problematisch empfunden. Und das Paar kommt eher in ein Gespräch, ohne dass sich dabei einer verletzt oder als sexueller Versager fühlen muss.

Gibt es nicht schwerwiegendere Probleme in einer Partnerschaft als Sex? Zum Beispiel, wenn ein Partner sich ein Kind wünscht, der andere nicht?

Ich denke, wenn ein Paar in sich ruht und eine feste Basis hat – nämlich, dass beide sich auch selbst genug sein können –, dann kann es auch ohne Kinder gehen. Wenn es aus gesundheitlichen Gründen beispielsweise nicht klappt, obwohl sich beide ein Kind wünschen, dann wird ein Paar daran nicht zerbrechen, wenn es eine feste Basis hat. Und diese ist nach meiner Erfahrung tatsächlich die Sexualität.

Paare sollten sich bei solchen Themen – sei es ein Kind, die Weltreise, der Hausbau – immer die Frage stellen, wie wichtig ist das für unsere Beziehung? Wofür steht ein bestimmter Lebensentwurf? Ist unsere Beziehung so tragfähig, dass wir uns auch ein Leben ohne Kinder vorstellen könnten? Oder brauchen wir zum Beispiel ein Kind als äußeres Zeichen der Beziehung? Vielleicht auch weil der Rest der Familie drängelt. Häufig sind es auch Erwartungen von außen: Kinder gehören dazu.

Es ist ja nicht ungewöhnlich, dass die Lust in der Beziehung nach einigen Jahren etwas einschläft, wenn die Schmetterlinge nicht mehr täglich flattern. Was können Paare tun, wenn die Leidenschaft nachlässt?

Meine Erfahrungen sind da ganz andere. Zum einen ist klar, dass in einer längeren Beziehung zu der Lust auf Sex und der hoffentlich vorhandenen Passgenauigkeit Vertrauen und Liebe und andere Gemeinsamkeiten dazu kommen. Aber die Basis bleibt ganz häufig die Sexualität.

Bei Paaren, bei denen es sexuell wirklich stimmig ist, habe ich selten erlebt, dass die Lust einschläft. Dieses Einschlafen ist häufig auch ein Alibi-Argument, wenn es vorher schon nicht schon so richtig gepasst hat. Wenn wir frisch zusammen sind, ist Sex auch eine Art Pflichtübung. Er gehört einfach dazu. Das habe ich von meinen Eltern schon gehört – und ich habe auch gehört, das schläft irgendwann ein und das ist ganz normal. Wenn Sex aber tatsächlich eher eine Pflichtübung und weniger Kür war, dann hat es nicht wirklich gepasst. Und dann kann es eine Erleichterung sein, wenn der Sex einschläft.

Wenn ich nun aber total zufrieden war in den ersten Jahren, alles hat gepasst und trotzdem lässt der Sex nach. Was ist dann?

Wenn bei beiden die Lust ein wenig nachlässt – es also synchron passiert –, dann passt es ja wieder. Problematisch wird es erst dann, wenn die Lust auf Sex einseitig nachlässt.

Sei es die sexuelle Unzufriedenheit oder andere Konflikte, die eine Beziehung dauerhaft belasten: Wann sollten Paare es in Erwägung ziehen, ihre Probleme mit einem Paartherapeuten zu besprechen?

Wenn die Konflikte überhand nehmen, es mehr Probleme als ein wohlwollendes Miteinander gibt. Wenn es an der Kommunikation hapert und Verallgemeinerungen und Du-Botschaften eingesetzt werden. Wenn es darum geht, jemanden zu haben, der ein Gespräch moderiert und von außen neutral und mit professioneller Distanz kluge Fragen stellt, damit das Paar seine Probleme sortieren kann. Wenn es darum geht, auch mal von den Problemen wegzusehen und stattdessen zu schauen, was funktioniert denn gut bei uns? Worauf lässt sich aufbauen, was sind die Ressourcen, was verbindet uns, haben wir eine tragfähige Basis? Und notfalls unterstützt ein Paartherapeut das Paar bei einer sozial verträglichen Trennung. Auch das kann eine Lösung sein.

 

 

Dagmar Cassiers – Coach und Therapeutin

Dagmar Cassiers arbeitet seit fast 20 Jahren als Therapeutin, psychologische Beraterin und Coach. Seit 10 Jahren ist sie zudem als systemisch-lösungsorientierte Beraterin und Coach in Berlin beim pme Familienservice tätig. Seit 2016 schreibt sie für die Zeitschrift "Freundin" eine regelmäßige Kollumne zum Thema Sex und Partnerschaft. www.cassiers-coaching.de

 

 

 

 

 

 

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