Kinderbild eines ukrainischen Soldaten
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pme spendet: „Kinder gefallener Krieger“

Manchmal reichen Worte nicht aus, um das Ausmaß von Verlust und Angst zu beschreiben, das Kinder im Krieg erleben. Olga Tovpeko, Initiatorin der NGO „Important“, hat das selbst erfahren: Als ihr Mann mit Kriegsbeginn in die Armee eintrat, wurde ihr deutlich, wie sehr der Dienst eines Elternteils das Leben der Kinder verändert – und wie dringend sie in dieser Zeit psychologische Unterstützung brauchen.

"Die Geschichten der Kinder berühren uns tief und fordern viel Mitgefühl." 

1. Warum haben Sie das Projekt „Children of Fallen Warriors” ins Leben gerufen?

Olga Tovpeko: Der Ehemann einer Freundin aus meiner Studienzeit wurde getötet. Der Enkel einer Großmutter, die ich auf dem Spielplatz traf, verlor seinen Vater. Auch der Vater eines Klassenkameraden meines Sohnes fiel im Krieg. Viele Männer sind gestorben – und ich begann mich zu fragen: Wie geht es eigentlich ihren Kindern?

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Psychologin Olga Tovpeko hat das Projekt "Children of fallen Warriors" ins Leben gerufen.

Dabei wurde deutlich, dass viele dieser Kinder oft „unsichtbar“ bleiben. Sie besuchen weiterhin die Schule, doch über Verlust und Trauer wird dort nur selten gesprochen. Manche Eltern finden Worte für den Schmerz, andere haben nicht die Kraft, darüber zu sprechen. Das öffentliche Gesundheits- und Bildungssystem stand vor der Herausforderung, passende Unterstützung zu bieten.

Uns wurde schnell bewusst, wie wichtig es ist, Gruppen für Kinder zu schaffen, deren Eltern im Krieg gefallen sind oder vermisst werden. Diese Kinder stehen vor Herausforderungen, die weit über ihr Alter hinausgehen.

So entstand dieses neue Projekt, in dem Kinder einen geschützten Raum finden, um offen über ihre Gefühle zu sprechen – über Ängste, Traurigkeit, Sorgen, Wut, Erinnerungen und die tiefe, unvergängliche Liebe zu ihren verstorbenen Eltern.

2. Wie unterstützt das Projekt Kinder, die einen Elternteil im Krieg verloren haben, genau?

Unter der fachlichen Begleitung unserer Mentorin Linda Goldman, einer erfahrenen amerikanischen Psychotherapeutin und Pädagogin, haben wir ein speziell auf diese Kinder zugeschnittenes Programm entwickelt. Es besteht aus drei zentralen Bausteinen:

  1. Die Welt der Emotionen erkunden Die Kinder lernen, ihre Gefühle zu erkennen, zu verstehen und auf sichere Weise auszudrücken. Sie lassen Angst und Wut los und finden nach und nach mehr Raum für Ruhe und Freude.
  2. Leben und Verlust Die Kinder sprechen über den Tod – was er bedeutet, wie sie ihn erleben und was nach dem Verlust eines geliebten Menschen bleibt. Sie erfahren, wie sie die Erinnerung und die Liebe bewahren können, während sie ihren eigenen Weg weitergehen.
  3. Erkundung persönlicher Ressourcen Die Kinder werden darin bestärkt, ihre eigenen Stärken zu entdecken – sowohl im Inneren als auch im Außen. Sie entwickeln eine positive Selbstwahrnehmung und lernen Fähigkeiten, die ihnen helfen, mit Herausforderungen resilient umzugehen.

Vor und nach dem Programm erfassen wir gemeinsam mit den Kindern, wie sich ihre Gefühle und ihr Wohlbefinden verändern. Immer wieder erleben wir, dass Ängste, depressive Verstimmungen, körperliche Beschwerden und Lernschwierigkeiten deutlich abnehmen – oft um mindestens 25 Prozent, in manchen Fällen sogar um bis zu 40 Prozent.

Diese Entwicklung macht uns sehr stolz und zeigt, wie wertvoll und wirksam unsere Arbeit für die betroffenen Kinder ist.

3.    Wie wichtig ist die psychologische Unterstützung für diese Kinder?

Geschichten einzelner Kinder wie der neunjährigen Olena (Namen geändert) machen deutlich, wie wertvoll diese Unterstützung ist:

Nachdem ihr Vater im Krieg getötet worden war, weigerte sich Olena, überhaupt über den Verlust zu sprechen. Jede Erwähnung ihres Vaters löste Wut gegenüber ihrer Mutter und ihrer älteren Schwester aus. Sie wurde zurückhaltend, scharfzüngig und emotional verschlossen. Am Anfang fiel es ihr schwer, sich der Selbsthilfegruppe anzuschließen – sie schwieg und weigerte sich, ihre Kamera einzuschalten. 


Kinder bewältigen Ängste und Trauer anders als Erwachsene.

Aber nach und nach, umgeben von anderen Kindern mit ähnlichen Erfahrungen und unterstützt von der Gruppenpsychologin, begann sie sich zu öffnen. Zunächst mit kurzen Sätzen, später mit Erinnerungen. Ihre Mutter sagt: „Es fühlte sich an, als hätte jemand die Mauer zwischen uns eingerissen. Endlich konnten wir über den Vater sprechen“.

Stimmen wie diese zeigen, wie wichtig es ist, Kindern einen geschützten Raum für ihre Gefühle zu geben und sie auf ihrem Weg zu begleiten.

4.     Was sind die größten Herausforderungen bei Ihrer Arbeit?

Eine der größten Herausforderungen ist es, Eltern zu vermitteln, wie wichtig frühzeitige Unterstützung für ihre Kinder ist. Viele kommen erst, wenn bereits deutliche Probleme auftreten. Häufig wird unterschätzt, wie sehr Kinder unter dem Verlust leiden – gerade wenn sie ihre Gefühle nicht offen zeigen. Wenn das Kind nicht weint oder schreit, denken sie, dass alles „in Ordnung“ ist. Doch Kinder drücken ihren Schmerz oft anders aus als Erwachsene, zum Beispiel durch Unruhe, Rückzug oder Wut, was leicht übersehen werden kann.

Auch für unser Team ist die Arbeit emotional anspruchsvoll. Die Geschichten der Kinder berühren uns tief und fordern viel Mitgefühl. Um uns selbst zu stärken, tauschen wir uns regelmäßig in Supervisionen aus und achten auf unser eigenes seelisches Gleichgewicht.

Eine weitere Herausforderung ist die Finanzierung. Wir sind keine große Organisation, sondern ein engagiertes Team, das täglich Familien unterstützt und dafür auf ausreichende Mittel angewiesen ist.

5.    Was wurde mit der Unterstützung von pme Familienservice erreicht?

Die Spende des pme Familienservice war für uns von großer Bedeutung. Sie hat es ermöglicht, ein Verwaltungsteam für Fundraising und nachhaltige Entwicklung aufzubauen und neue Projekte für Kinder zu starten.

Dank dieser Unterstützung – und weiterer Beiträge von engagierten Privatpersonen – konnten wir 14 Kindergruppen und 6 Erwachsenengruppen ins Leben rufen. So erhalten 105 Kinder und 64 Ehefrauen von Soldaten psychologische Begleitung.

Besonders dankbar sind wir auch für die Möglichkeit, spezielle Gruppen für Kinder von vermissten Soldaten zu gründen. Diese Arbeit ist sehr sensibel, da oft unklar bleibt, ob die Hoffnung auf ein Wiedersehen erfüllt wird. Gemeinsam mit Linda Goldman haben wir dafür ein besonderes Programm entwickelt, das auf einer therapeutischen Geschichte über einen verlorenen Welpen basiert.


Update-Call: Die Trainerinnen stehen im engen Austausch.

6.     Wie sind Ihre Zukunftspläne?

Wir möchten unsere Arbeit unbedingt fortsetzen, denn es gibt noch viel zu tun. Besonders Kinder von Kriegsgefangenen, verwundeten Soldaten und Veteranen warten auf Unterstützung – oft fehlt es hier noch an finanziellen Mitteln. Viele dieser Kinder erleben schwierige Situationen, wenn ihre Eltern mit körperlichen oder psychischen Folgen des Krieges zu kämpfen haben.

Auch für die Eltern ist das eine große Herausforderung. Sie wissen oft nicht, wie sie mit ihren Kindern über diese Themen sprechen und sie trösten können. Deshalb ist es uns wichtig, nicht nur die Kinder zu begleiten, sondern auch die Eltern zu stärken – damit emotionale Stabilität in der Familie erhalten bleibt, auch nach dem Gruppenprogramm.

Wir freuen uns über jede Unterstützung für unsere Arbeit.

Soziales Engagement des pme Familienservice

Seit vier Jahren gibt es die Spendenaktion „pme spendet“, bei der die pme-Teammitglieder die Möglichkeit haben, gemeinnützige Vereine aus den Bereichen „Internationale Entwicklungshilfe“, „Soziale Arbeit“, „Klima- und Tierschutz“ und „Kultur“ für eine Spende vorzuschlagen, die sie aktiv unterstützen. Alle Teammitglieder stimmen anschließend für die Organisationen, die sie fördern wollen. Die Vereine mit den meisten Stimmen erhalten eine Spende vom pme Familienservice. 2024 wurden sechs nationale und internationale Organisationen mit insgesamt 50.000 Euro Spendengeldern bedacht.