
Helikopter-Eltern: Welche Auswirkungen hat die Überfürsorge?
Die ängstliche Mutter, die ihr Kind überall mit dem Auto hinbringt und auch wieder abholt, der kontrollierende Vater, der die schulischen Leistungen ganz genau im Blick hat und kein Lehrergespräch scheut ...
Während viele Eltern ihre Kinder unterstützen möchten, um ihnen den Weg zu ebnen, geraten sie häufig in die Rolle der „Helikopter-Eltern“. Diese überfürsorgliche Haltung, die meist aus eigenen Sorgen und Ängsten resultiert, beeinträchtigt jedoch die Entwicklung der kindlichen Selbstständigkeit.
Ein Beitrag von Ramona Krämer. Als Fachberaterin und systemische Familientherapeutin berät und unterstützt sie Eltern in Erziehungsfragen.
"Die Aufgabe der Eltern besteht darin, ihr Kind nur so lange zu unterstützen, bis das Kind allein übernehmen kann – nicht dem Kind alles abzunehmen oder die Herausforderungen aus dem Weg zu räumen." - Ramona Krämer
Inhalt dieses Artikels
- Was sind “Helikopter-Eltern”?
- Was ist der Unterschied zwischen Helikopter-Eltern und Rasenmäher-Eltern?
- Was steckt wirklich hinter der Überfürsorglichkeit?
- Welche Auswirkungen haben Helikopter-Eltern auf ihre Kinder?
- Wie verhalten sich Kinder von Helikopter-Eltern?
- Wie können wir unsere Kinder stark machen?
Was sind “Helikopter-Eltern”?
Als „Helikopter-Eltern“ werden Eltern bezeichnet, die ständig in der Nähe ihrer Kinder sind und wie ein Helikopter um sie herum kreisen, um jederzeit eingreifen zu können, wenn sie glauben, dass ihr Kind Unterstützung oder Schutz benötigt.
Der Erziehungsstil von Helikopter-Eltern zeichnet sich aus durch
- Überinvolviertheit
- Einschränkung der kindlichen Autonomie
- Überbehütung
- Schuldzuweisung gegenüber Dritten, z. B. wenn Erzieher:innen verantwortlich gemacht werden, wenn das eigene Kind Konflikte in der Kita hat.
Was ist der Unterschied zwischen Helikopter-Eltern und Rasenmäher-Eltern?
Im Gegensatz zu Helikopter-Eltern versuchen Rasenmäher-Eltern, jede potenzielle Herausforderung oder Schwierigkeit frühzeitig – am besten bereits im Vorfeld – aus dem Weg zu räumen. Sie „mähen“ alle Hindernisse ab, bevor das Kind diesen begegnet.
Beide Erziehungsstile sind von einer starken Überfürsorglichkeit geprägt, jedoch mit unterschiedlichem Ansatz: Helikopter-Eltern agieren reaktiver, während Rasenmäher-Eltern mehr im Voraus planen und handeln.
Was steckt dahinter, wenn Eltern überfürsorglich sind?
Die Überfürsorglichkeit von Helikopter-Eltern entspringt oft aus ihren eigenen Ängsten heraus.
Meist gibt es Gründe für das überbehütende Verhalten der Eltern, die in ihrer Vergangenheit liegen und mit Erfahrungen – vor, während oder nach der Schwangerschaft – verbunden sind: beispielsweise eine lange Kinderwunschbehandlung, Komplikationen in der Schwangerschaft oder bei der Geburt, Frühgeburten, ebenso wie postpartale Depressionen oder auch die eigene Erziehung, mit der sie groß geworden sind.
Gleichzeitig wird die Welt immer komplexer, und durch die mediale Berichterstattung erfahren wir von vielen Unglücken um uns herum und in der Welt, wodurch wir das Gefühl bekommen, dass die Welt gefährlicher und unsicherer für unsere Kinder ist.
Der Wunsch nach Kontrolle entspringt oft dem Bedürfnis, etwas gegen die eigene Ohnmacht und Hilflosigkeit zu tun.
In der Psychologie spricht man von der Verfügbarkeitsheuristik: eine verkürzende, kognitive Schlussfolgerung, bei der die Wahrscheinlichkeit von Ereignissen je nach Aktualität und Lebendigkeit in der Erinnerung eingeschätzt wird.
Das bedeutet: Tragische Nachrichten brennen sich ein, führen zu einem erhöhten Risikogefühl und somit zu Fehleinschätzungen und Urteilsfehlern. Folge sind oft verstärkte Schutzmaßnahmen
Welche Auswirkungen haben Helikopter-Eltern auf ihre Kinder?
Der überbehütende Erziehungsstil führt dazu, dass Kinder ängstlich werden und selbst Phobien oder Ängste entwickeln können.
Bevor Kinder eigene Erfahrungen sammeln können, verlassen sie sich auf die Erfahrungswerte ihrer Bezugspersonen. Diese Art von Erfahrungsübertragung ist sehr langlebig, im Gegensatz zu anderen Lernweisen, die schnell verblassen, wenn sie nicht wiederholt werden.
Phobien und Ängste, wie z. B. die Angst vor Spinnen oder dem Zahnarzt oder Verlustangst, werden von der primären Bezugsperson auf ihre Kinder übertragen. Das passiert auf nonverbaler Ebene, durch Mimik, Gestik, Geruch.
Was hilft? Die eigene Angst benennen und offenlegen!
Tauschen Sie sich mit anderen Eltern oder Ihrer/Ihrem Partner:in aus:
- Gibt es reale Gefahren oder ist es eine gefühlte Unsicherheit?
- Was ist Kindern in diesem Alter zuzutrauen?
- Wie handhaben Sie das?
- Haben Sie ähnliche Ängste?
ABER das elterliche Vorbild entscheidet nicht alleine darüber, ob ein Kind Ängste entwickelt. Hierbei spielen auch genetische, biologische und soziokulturelle Einflüsse eine Rolle.
Beispiel 1: Eine ängstliche Mutter begrenzt den Bewegungsfreiraum ihres abenteuerlustigen Sohnes, was zu häufigen Konflikten führt. Obwohl die mütterliche Angst oft spürbar ist, überträgt sie sich vermutlich nicht direkt auf den Sohn.
Beispiel 2: Ein eher vorsichtiges Kind wird von seinen Eltern in seiner Selbstständigkeit stark eingeschränkt. Es traut sich immer weniger zu, Herausforderungen alleine zu meistern, und lernt nicht, Handlungsfähigkeit zu entwickeln.
Wie verhalten sich Kinder von Helikopter-Eltern?
Die Überfürsorglichkeit der Helikopter-Eltern hat einen starken Einfluss auf die Entwicklung ihrer Kinder. Das zeigt sich sowohl in der Motorik, bei der Einschätzung von Risiken und in der Frustrationstoleranz.
Der Einfluss auf die motorische Entwicklung und Risikobewertung der Kinder
Die Unfallkasse Hessen hält in ihrer Schriftreihe “Mehr Sicherheit durch Bewegung” fest, dass Kinder, die sich frei bewegen dürfen, weniger Unfälle haben. Kinder brauchen die freie Bewegung und den Raum, selbst Erfahrungen machen zu können.
Sie brauchen Herausforderungen, Grenzerfahrungen und Erlebnisse des Scheiterns, um zu lernen, Risiken richtig einzuschätzen und Selbstvertrauen zu entwickeln.
Der Einfluss auf die Resilienz und Frustrationstoleranz der Kinder
Überbehütete Kinder, die während des Aufwachsens kaum negative Emotionen, Konsequenzen und Frust spüren, entwickeln weniger Selbstwirksamkeit und leiden häufiger unter Angststörungen, zeigen die Studien der Universität Stanford (2021) sowie der Florida Atlantic Universität (2023).
Umso wichtiger ist es, dass Kinder früh und altersgerecht lernen, mit Frustrationen, Ungerechtigkeit, Konflikten oder auch Unfällen umzugehen.
Wie können wir unsere Kinder starkmachen?
Eltern – und gerade Helikopter-Eltern – müssen lernen, die eigenen Ängste und Sorgen auszuhalten.
Statt das eigene Kind mit gutgemeinter Überfürsorglichkeit einzuschränken, müssen Kinder in ihrer Selbstständigkeit unterstützt werden. Auf diese Weise können sie Krisenkompetenzen entwickeln und lernen, sich selbstständig zu behaupten.
Das bestätigt auch die Studie der Florida Atlantic Universität (2023), die belegt, dass Kinder und Jugendliche, die viel Zeit mit freiem und auch riskantem Spiel verbringen und es gewohnt sind, Probleme ohne elterliche Anleitung zu lösen, mental zufriedener sind.
Daher ist es wichtig, dass Eltern die Selbstwirksamkeit und Resilienz ihres Kindes fördern und ihm den benötigten Freiraum geben.
5 Tipps, wie Sie ein gesundes Maß an Fürsorge finden
1. Sehen Sie Fürsorge als Unterstützung zur eigenständigen Entwicklung Ihres Kindes. Das langfristige Ziel von Eltern sollte es sein, sich selbst entbehrlich zu machen. Schließlich wollen wir, dass unsere Kinder, wenn sie ausziehen, ihr Leben alleine regeln können.
2. Helfen Sie Ihrem Kind nur, wenn es danach fragt.
3. Stellen Sie Ihrem Kind Fragen, statt direkt Antworten zu geben und so einen Lösungsweg vorwegzunehmen.
4. Nehmen Sie Ihrem Kind Herausforderungen nicht ab, sondern unterstützen Sie es, selbst eine Lösung zu finden.
5. Unterstützen Sie immer nur so lange, bis der Punkt erreicht ist, an dem Ihr Kind alleine übernehmen kann.
Die pme-Elternberatung
Unsere Elternberater:innen begleiten Eltern in allen Fragen von der Schwangerschaft bis zum Erwachsenwerden des Kindes.
Persönlich und vertraulich: Wir sind online, telefonisch und vor Ort für Sie da. Mehr Informationen finden Sie auf der Seite der pme Elternberatung.