Heute ist weltweit der Tag der psychischen Gesundheit. In diesem Jahr hat die WHO den Schwerpunkt auf das Thema „Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz“ gesetzt. Was bedeutet mentale Gesundheit im Job? Und welche Risiken bestehen in der digitalen Arbeitswelt für unsere seelisches Gleichgewicht? Anja Umbreit, Themenmanagerin für die Seminarreihe Balance360° der pme-Akademie, dazu im Interview.
Work-Life-Blog: Wie definieren Sie geistige Gesundheit?
Anja Umbreit: Ich nutze gern die Definition des Gesundheitswissenschaftlers Bernhard Badura, der den Gesundheitsbegriff ganzheitlich und nicht als einen Zustand, sondern als stetigen Prozess sieht. Er sagt:
"Gesundheit ist eine Fähigkeit zur Problemlösung und Gefühlsregulierung, durch die ein positives seelisches und körperliches Befinden – insbesondere ein positives Selbstwertgefühl – und ein unterstützendes Netzwerk sozialer Beziehungen erhalten oder wieder hergestellt wird."
Wenn wir also genügend Ressourcen haben, um in kritischen Stresssituationen eine Tendenz zum 'Krank-Sein' wieder in Richtung 'Gesund-Sein' zu lenken, dann sind wir grundsätzlich gesund aufgestellt. Außerdem wird hier deutlich, dass eine Störung der seelischen Gesundheit noch nicht gleichbedeutend mit dem Vorhandensein einer Krankheit ist.
WLB: Die "Mentale Gesundheit am Arbeitsplatz" steht laut WHO im Fokus des heutigen Tags der psychischen Gesundheit. Welche Risikofaktoren für unsere geistige Gesundheit existieren in unserer komplexen, digitalen Arbeitswelt?
Anja Umbreit: Permanente Erreichbarkeit. Das Verschwimmen der Grenze zum Feierabend. Hohe Ansprüche an uns selbst. Existenzängste. Technologische Entwicklungen, die sich rasant erneuern. Informationen auf zahlreichen Kanälen: Unser Gehirn konsumiert, speichert, verwirft, reflektiert, erinnert sich und ist kreativ.
Das hat es natürlich schon immer getan, aber das Leben und Arbeiten in der heutigen so genannten VUCA-Welt ist für manche Menschen eine größere Herausforderung als für andere. Für sie kann die digitale Dauerpräsenz problematisch werden.
Auch der aktuelle Gesundheitsreport 2017 der DAK zeigt, dass psychische Erkrankungen mit einem Anteil von rund 17,1 Prozent als Gründe für Fehlzeiten schon an zweiter Stelle stehen. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Menschen auch länger krank. Das könnte daran liegen, dass sie die Anzeichen von Überforderung nicht erkennen oder falsch deuten und sich zu spät Hilfe holen. Ernstzunehmende Anzeichen sind Schlafstörungen, Vergesslichkeit, mangelnde Konzentration, Überforderung und die fehlende Fähigkeit zur Priorisierung.
WLB: Wie kann ich meine geistige Gesundheit im Alltag stärken?
Anja Umbreit: Ich halte viel von einer guten Pausenkultur und Selbstsorge. Jeder hat eine andere Art und Weise, sich zu entspannen. Der eine joggt morgens gern oder macht Yoga, der andere beginnt seinen Tag mit Kaffee und Zeitung. Alle, die Kinder haben, entspannen sich vielleicht eher auf dem Weg nach Hause. Spätaufsteher nutzen den Abend für Treffen mit Freunden.
In unseren Balance360°-Angeboten reflektieren wir gemeinsam mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, worin ihre persönlichen Ressourcen zur Stressbewältigung liegen und wie sie negative mentale Denkmuster durchbrechen. Sie finden heraus, was ihnen gut tut und wie sie bewusst mit der Zeit umgehen. In unserem MinZe-Workshop zeigen wir ganz individuelle Zeitmanagement-Instrumente.
WLB: Und noch ein kurzer Tipp 'To-Go' bitte!
Anja Umbreit: Das klingt jetzt vielleicht trivial, aber ich persönlich finde das bewusste Atmen und das Innehalten im Alltag hilfreich. Was brauche ich im Moment? Was tut mir gut? Das Bewusstsein, dass man selbst der Schlüssel für eine gesunde Selbstsorge ist, macht es leichter, die richtigen Angebote für sich zu finden.
Anja Umbreit ist beim pme Familienservice verantwortlich für die Reihe Balance 360° der pme Akademie. "Wir können nicht oft genug daran erinnert werden, dass unsere seelische und natürlich auch die körperliche Gesundheit keine Selbstverständlichkeit sind. Die Bedeutung verändert sich sicher je nach Lebenssituation und Lebensphase. Aber wir sollten stetig ein Auge auf unsere Gesundheit haben", sagt unsere Expertin.
Der Tag der psychischen Gesundheit wurde 1992 vom Weltverband für psychische Gesundheit (WFMH) gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ins Leben gerufen und feiert heute sein 25. Jubiläum.
https://www.wfmh.global/wmhd-2017/
http://www.who.int/mental_health/world-mental-health-day/2017/en/