Katharina Binz über Frauen in Politik und Berufsleben

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Ministerin Katharina Binz über Frauen in Politik und Beruf

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15.02.2022
Christin Müller
14719

Katharina Binz ist seit 2021 Ministerin für Familie, Frauen, Kultur und Integration des Landes Rheinland-Pfalz und stellvertretende Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz. Im Interview spricht die Spitzenpolitikerin über Frauen in der Politik und wie sie in ihrer Rolle als Ministerin die Gleichstellung von Frauen im Berufsleben vorantreiben möchte.

Ministerin Rheinland-Pfalz Katharina Binz

 

Liebe Frau Binz, mit 30 Jahren waren Sie Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen in Rheinland-Pfalz, im letzten Jahr wurden Sie per Direktmandat in den Landtag gewählt. Keine zwei Monate später wurden Sie zur Ministerin für Familie, Frauen, Kultur und Integration ernannt, und seit Dezember sind Sie auch noch stellvertretende Ministerpräsidentin im Kabinett Dreyer. Welche Eigenschaften haben Sie genau für diese Karriere prädestiniert?

An Prädestination glaube ich nicht. Für mich gab es immer wieder Gelegenheiten, Verantwortung zu übernehmen, Einsatz zu zeigen und anspruchsvolle Gestaltungsaufgaben zu übernehmen. Das war bereits so, als ich während meines Studiums zur Vorsitzenden des Allgemeinen Studierendenausschusses und rund ein Jahr später in den Vorstand der bundesweiten studentischen Interessenvertretung gewählt wurde.

Wichtig war also zunächst die Bereitschaft, viel ehrenamtliche Arbeit zu leisten, um politisch etwas zu bewegen. Dabei kommt es auch auf einen langen Atem und den Blick auf die längerfristigen Ziele an, um sich von den Konflikten, die es in allen politischen Bereichen auf allen Ebenen immer wieder gibt, nicht mürbe machen zu lassen.

Natürlich kommt es auch auf Inhalte an. Und es kommt auf die Fähigkeit an, diese Inhalte überzeugend rüberzubringen.

Wichtig ist auch Unterstützung. Bereits im ehrenamtlichen Bereich kommt man nicht weiter, wenn man meint, alles alleine machen zu müssen. Und wenn man gelernt hat, in ehrenamtlich getragenen Strukturen zu organisieren, und dass Leute zusammenarbeiten, um gemeinsame Ziele zu erreichen, dann ist das auch für die Leitung professioneller Apparate eine enorm hilfreiche Ressource.

Wichtig ist zudem Durchsetzungsfähigkeit. Von Persönlichkeiten in führenden Positionen erwarten die Menschen zu Recht, dass sie das, wofür sie werben und wofür sie stehen, auch durchsetzen. Das geht nicht, wenn ich bei jedem Einwand sage: „Ja, okay, dann halt nicht“. Allerdings bedeutet Durchsetzungsfähigkeit gerade nicht, dass ich immer mit dem Kopf gegen die Wand laufe und versuche, meine Vorstellungen eins zu eins durchzudrücken. Oft kann es mehr Erfolg bringen, einen klugen Vorschlag zu machen, mit dem ich im Wesentlichen das umsetzen kann, was ich erreichen möchte, und dabei möglichst viele der Beteiligten mitnehme.

Seit Jahren wird bemängelt, dass die deutsche Politik zu männlich ist. Was sind die Gründe?

Leider ist es so, dass Frauen in der Politik nach wie vor deutlich unterrepräsentiert sind, und zwar im Bund, in den Ländern und in den Kommunen. Mitunter heißt es, bei Frauen sei das Interesse an Politik weniger ausgeprägt als bei Männern. Durch Fakten lässt sich diese Behauptung aber nicht belegen: Bei Kommunal-, Landtags- und Bundestagswahlen gibt es in der Wahlbeteiligung von Männern und Frauen keine großen Unterschiede.

Es ist auch keineswegs so, dass Frauen weniger ehrenamtlich tätig sind. Eine Studie des Bundesfamilienministeriums zum freiwilligen Engagement zeigt allerdings, dass sich deutlich mehr Männer in ihrer Freizeit mit Politik und politischer Interessenvertretung befassen, während sich Frauen häufiger in der Schule ihrer Kinder oder im sozialen Bereich engagieren. Diese Rollenverteilung ist insbesondere in ländlichen Regionen zu beobachten.

Ein Mandat im Stadtrat oder im Kreistag ist ein Ehrenamt, für das neben Beruf und Familie noch Zeit gefunden werden muss. Sitzungen beginnen meist am frühen Abend und können sich über mehrere Stunden hinziehen. Kommen noch Ausschüsse sowie Versammlungen des Ortsvereins der eigenen Partei hinzu, sind schnell mehrere Abende pro Woche für das Ehrenamt verplant.

Die Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF) befragte vor einigen Jahren mehr als 1000 Kommunalpolitikerinnen. Auf die Frage, was ihnen nicht gefalle, zeigten sich 57 Prozent unzufrieden mit der politischen Kultur. Sie berichteten von „Grabenkämpfen“, „Profilierungssucht“ und „Vetternwirtschaft“ und kritisierten, dass die politische Arbeit oft zu wenig an der Sache orientiert sei. Auch die Abläufe der Sitzungen sowie die Diskussionskultur wurden von vielen Kommunalpolitikerinnen kritisch bewertet. Sie monierten beispielsweise „Endlosdiskussionen“ und „monologartige Vorträge“.

Die Politikwissenschaftlerin Dr. Helga Lukoschat, Vorsitzende der EAF Berlin, sagte: „Viele Frauen erleben in der Kommunalpolitik nach wie vor, benachteiligt zu sein. Das kann mehr oder weniger offen passieren. Beispielsweise würden ihnen automatisch Themen wie Familie und Schule zugewiesen, während die Männer im Verkehrs- oder Bauausschuss sitzen. Eine Abwertung von Frauen kann sich aber auch darin zeigen, wie oft sie in Sitzungen zu Wort kommen beziehungsweise unterbrochen werden“.

Drei Viertel der befragten Bürgermeisterinnen haben gesagt, an sie würden andere Erwartungen gerichtet als an Männer. Sie haben den Eindruck, sie müssten besser sein als ihre männlichen Amtskollegen, um das Gleiche zu erreichen. Auch ihr Äußeres, ihr Lebenswandel und ihr Auftreten würden viel strenger beurteilt.

Ein weiterer Grund, warum es zu wenig Frauen gerade in politischen Spitzenfunktionen gibt, ist die sogenannte „Gläserne Decke“. Sie hindert Frauen nach wie vor daran, durch männlich geprägte Machtstrukturen, Seilschaften, mangelnden Zugang zu informellen Netzwerken etc. in solche Funktionen aufzusteigen.

Rheinland-Pfalz ist neben Berlin aktuell das einzige Bundesland, in dem zwei Frauen an der Spitze der Landesregierung stehen. Was unterscheidet die weibliche Regierungsarbeit von der männlichen?

Es gibt Forschungsergebnisse der Universität Hohenheim, die zeigen, dass es tatsächlich nur geringe Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Top-Führungskräften gibt, zu denen man auch die Spitze von Landesregierungen zählen kann. In einigen der Persönlichkeitsdimensionen, die von der Gesellschaft positiv belegt sind, schneiden Frauen allerdings besser ab als Männer. Aspekte wie „Empathie“, das „Streben nach Kompromisslösungen“, „eher die Kooperation suchen als den Konflikt“ – das sind Kriterien, wo Frauen besser abschneiden. Ich glaube, das trifft auch auf unsere Zusammenarbeit in der rheinland-pfälzischen Landesregierung zu.

Der Anteil der Frauen in Ihrer Partei lag Ende 2019 bei über 40 Prozent. Die Grünen sind somit Spitzenreiter unter den deutschen Parteien, was den Frauenanteil betrifft. Woran liegt das?

Sicherlich ist ein wichtiger Grund dafür, dass wir Instrumente der Frauenförderung wie Mentoring-Programme mit klaren Regeln verbinden, die für Frauen gleiche Teilhabemöglichkeiten sicherstellen. Die Quote bei der Aufstellung von Bewerber:innen für Wahlen, die paritätische Besetzung von Parteigremien und die besonders sichtbare, mindestens zur Hälfte weibliche Doppelspitze zeigen Frauen, dass sie nicht nur eingeladen sind mitzumachen, sondern dass die Hälfte der Macht den Frauen zukommt.

Mindestens genauso wichtig ist, dass wir uns politisch für gleiche Rechte und gleiche Teilhabe einsetzen. Wer wirksame Regelungen für gleiche Bezahlung möchte, Gleichstellung auch im Wirtschaftsleben mit verbindlichen Regeln abgesichert wissen will oder einen wirksamen Schutz vor Benachteiligungen unterstützt, kann sich sicher sein, dass wir Grünen nicht nur die passenden Konzepte haben, sondern dass es bei uns auch sehr weit oben auf der Agenda steht, dafür politische Mehrheiten zu organisieren. Ich bin mir sicher, dass auch dieser programmatische Ansatz die grüne Partei interessant macht für viele Frauen, die sich politisch einbringen wollen.

Welche Themen für Frauen liegen Ihnen bei Ihrer Arbeit als Ministerin besonders am Herzen?

Zwei Themen liegen mir als Frauenministerin ganz besonders am Herzen: Ein ganz zentrales frauenpolitisches Thema ist die Gewalt gegen Frauen. Jeden dritten Tag wird eine Frau in Deutschland von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Und diese Zahl ist nur die erschreckende Spitze des Eisbergs. Jeden Tag erleben unzählige Frauen Gewalt, vor allem in engen sozialen Beziehungen. Gegenüber geschlechtsspezifischer Gewalt darf es keine Toleranz in unserer Gesellschaft geben. Ein politischer Schwerpunkt der Arbeit meines Ministeriums ist daher das Leitziel „Aufwachsen und leben ohne Gewalt“.

Wir müssen außerdem die Vereinbarkeit von Beruf und Familie entscheidend voranbringen. Das ist keine Aufgabe, der sich nur die Frauen zu stellen haben, sondern die Familien und unser Staats- und Wirtschaftssystem als Ganzes. Gerade die Corona-Pandemie hat deutlich gezeigt, dass ohne die Bewältigung der Sorgearbeit in den Familien unsere Gesellschaft nicht funktioniert. Ich möchte die Verteilung der Sorgearbeit ins Zentrum der frauenpolitischen Auseinandersetzung rücken. Denn deren gerechte Aufteilung zwischen Frauen und Männern ist eine Grundvoraussetzung für die Gleichstellung der Geschlechter. Männer müssen hier viel stärker beteiligt und auch in die Pflicht genommen werden.

Am 8. März ist Internationaler Frauentag. Zeit, die Stellung der Frau im gesellschaftlichen Kontext anzusprechen. Welche beruflichen und familiären Perspektiven wünschen Sie sich für Frauen im Allgemeinen?

Ich wünsche mir, dass Frauen in der Arbeitswelt keine Benachteiligungen mehr erfahren und den Männern tatsächlich gleichgestellt sind. Frauen sollen die gleichen Karrierechancen haben wie Männer und für die gleiche Arbeit auch gleich bezahlt werden. Im familiären Bereich wünsche ich mir die Überwindung alter Rollenklischees und eine gleichmäßige und gerechte Verteilung der Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern.

Mit welchen Maßnahmen kann das umgesetzt werden?

Um diese Ziele zu erreichen, bedarf es vielfältiger Maßnahmen: Um den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen, hat die rheinland-pfälzische Landesregierung bereits im Jahr 2010 das Mentoring-Programm „Mehr Frauen an die Spitze!“ entwickelt. Im Rahmen des Programms werden Mentees von ihren Mentorinnen und Mentoren auf dem Weg in eine Führungsposition begleitet.

Die rheinland-pfälzischen Beratungsstellen „Neue Chancen“ bieten passgenaue Beratung und individuelle Unterstützung für Frauen beim Wiedereinstieg in den Beruf nach einer Familienphase.

Zum Abbau der Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern können kleine und mittlere Unternehmen in Rheinland-Pfalz freiwillige und kostenlose Lohntests durchführen, und sie werden für das Thema „Diskriminierungsfreie Vergütung“ sensibilisiert.

Das sind nur drei beispielhafte Projekte, durch die wir die Gleichstellung von Frauen im Berufsleben voranbringen wollen. Wichtig ist auch, dass wir durch die frauenpolitische Diskussion die immer noch bestehenden Benachteiligungen von Frauen thematisieren, in den Fokus rücken und dafür sensibilisieren. Denn nur so können wir ein Umdenken erreichen in den Unternehmen, in der Gesellschaft insgesamt und auch in den Familien. Das ist die Grundvoraussetzung, um alte Geschlechterstereotype aufzubrechen und Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen, sowohl in der Arbeitswelt als auch im familiären Bereich.
 

Das Interview mit Ministerin Katharina Binz ist im Zuge des Digital-Events „Womanomics: She. Changes. Future.“ am 08. März 2022 geführt worden.

 

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