Wie der Lockdown Kinder psychisch belastet

Was Corona mit unseren Kindern macht Ð und wie Eltern unterstŸtzen kšnnen.

Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf meine Kinder? Mit dieser Frage werden Eltern oft alleingelassen. Wenn Ÿber das Thema ãKinder und Corona-KriseÒ gesprochen wird, geht es meist um Betreuung und Beschulung. Doch viele Studien haben gezeigt, dass Kinder mit weitreichenden psychischen Auswirkungen wie Einsamkeit, Depressionen und sogar Essstšrungen zu kŠmpfen haben. pme-Elternberater Christian Keller gibt Eltern Tipps, wie sie ihre Kinder gut durch die Corona-Zeit bringen und dabei selbst mšglichst entspannt bleiben.

Psychische Gesundheit von Kindern verschlechtert sich durch die Corona-Krise drastisch

Die COPSY (Corona und Psyche) Studie des UniversitŠtsklinikums Hamburg-Eppendorf belegt, dass sich mehr als 70 % der befragten Kinder durch die Corona-Krise seelisch belastet fŸhlen. Dies zeigt sich u. a. in Angst, Stress und Depressionen. Auch das Risiko fŸr psychische AuffŠlligkeiten wie Schlafstšrungen oder Kopf- und Bauchschmerzen habe sich verdoppelt. Der zweite Lockdown hat diese Auswirkungen laut der COSPY-Studie noch verschŠrft.

Gleichzeitig achten die Kinder und somit auch die Eltern weniger auf die Gesundheit. Die Kinder essen mehr SŸ§igkeiten und bewegen sich weniger, und der Medienkonsum ist stark gestiegen. Im zweiten Lockdown machen im Vergleich zum FrŸhjahr doppelt so viele Kinder Ÿberhaupt keinen Sport mehr. Der Trend zur Corona-Plauze macht also auch vor Kindern und Jugendlichen nicht Halt.

Die Studienleiterin Prof. Dr. Ulrike Ravens-Sieberer zeigte sich bei der Auswertung der rund 2.500 Fragebšgen sehr Ÿberrascht Ÿber den hohen Grad der Verschlechterung der psychischen Gesundheit von Kindern. Dabei sind vor allem Kinder aus sozial schwŠcheren Familien betroffen. Ein geringes Einkommen, einhergehend mit beengtem Wohnraum, fšrdert das Auftreten psychischer AuffŠlligkeiten. Die mangelnde RŸckzugsmšglichkeit und die durch den Lockdown fehlende Tagesstruktur fŸhren darŸber hinaus zu Streit und Konflikten innerhalb der Familie.

Kinder aus sozial schlechtergestellten Familien leiden mehr unter Corona

Auch die Studie ãKind sein in Zeiten von CoronaÒ des Deutschen Jugendinstituts bestŠtigte die Beobachtung, dass Kinder aus finanziell schlechtergestellten Familien hŠufiger mit emotionalen Problemen zu kŠmpfen haben. FamiliŠre Schwierigkeiten verstŠrken bei Kindern das GefŸhl von Einsamkeit und damit auch VerhaltensauffŠlligkeiten. Die Studie zeigte auf, dass Kinder, die Geschwister zum Spielen haben, besser durch die Pandemiezeit kommen, Šlteren Kindern hilft insbesondere der Kontakt mit Freunden und LehrkrŠften.

Durch Corona-Krise vermehrt Essstšrungen bei Jugendlichen

Die Klinik fŸr Kinder- und Jugendpsychosomatik in MŸnchen-Schwabing berichtet, dass durch die Pandemie vor allem bei Jugendlichen vermehrt Essstšrungen auftreten. Die Corona-Krise wirkt hierbei wie ein Brennglas. Probleme, die schon latent vorhanden sind, bekommen durch die fehlende Alltagsroutine richtig Feuer. Solange die Kinder in die Schule gehen, haben Sie eine klare Struktur. Zudem stehen sie durch den Kontakt mit MitschŸlern und Lehrern unter einer gewissen sozialen Kontrolle und werden dadurch zum Essen animiert. Allein zu Hause haben sie nun alle Zeit der Welt, sich Ÿber ihren Kšrper und ihre Essgewohnheiten Gedanken zu machen.

Eltern fŸhlen sich oft hilflos, wenn ihre Kinder psychisch auffŠllig werden. Um die Kinder gut durch die Pandemie zu bringen, ist es wichtig, vermehrt Beratung fŸr Eltern anzubieten. pme-Elternberater Christian Keller berichtet, dass es von Seiten der Eltern gro§en GesprŠchsbedarf gibt. Viele Eltern fŸhlen sich trotz Familie allein und wŸnschen sich einen Austausch mit Gleichgesinnten.

Struktur in den Tagesablauf bringen

Damit Kinder mit weniger Stress durch die Corona-Zeit kommen, ist es wichtig, dass auch die Eltern gelassener werden. Christian Kellers Rat ist, den Alltag so gut wie mšglich zu strukturieren und sich dafŸr auch wirklich Zeit zu nehmen. Praktikabel ist hierbei ein Wochenplan, bei dem man das Wichtigste priorisiert, bevor man wild versucht, die anstehenden Dinge abzuarbeiten.

Planen Sie auch Zeiten ein, in denen man den Kindern zumuten kann, allein zu sein. Denn au§er einer zeitlichen Struktur ist auch rŠumliche Trennung wichtig, um einen Lagerkoller zu vermeiden.

Ein praktischer Tipp ist, ein Ampelsystem fŸr die BŸrotŸr einzufŸhren. Bei GrŸn trifft das Kind auf offene TŸren, Gelb bedeutet, dass man in dringenden FŠllen ansprechbar ist, bei Rot darf auf keinen Fall gestšrt werden. Mit einem solchen System schafft man eine Erwartbarkeit, fŸr Kinder wie fŸr Eltern.

BedŸrfnisse erkennen und kommunizieren

Eine weitere Ma§nahme fŸr ein gutes Miteinander ist die Einrichtung eines Familienrats, den man wšchentlich abhŠlt. Dort bespricht man als Familie, wie man gemeinsam durch die Woche gehen will. Welche BedŸrfnisse habe ich? Wie wollen wir es anstellen, uns drau§en zu bewegen? Dabei zŠhlen nicht nur die BedŸrfnisse der Kinder, sondern auch die der Eltern. Binden Sie die Kinder zudem im Haushalt ein. Das schafft Struktur fŸr die Kinder und Entlastung fŸr Sie als Eltern.

Eine Routine, die fŸr Christian Keller und seine Familie sehr wichtig ist, sind gemeinsame Essenszeiten. Hier wird dann nicht Ÿber Schule und Arbeit geredet, sondern wirklich auf den Pauseknopf gedrŸckt.

VerstŠndnis und gewaltfreie Kommunikation

Wenn es doch zu schwerwiegenden Konflikten kommt oder Kinder unter Problemen in der Schule leiden, ist es wichtig, sich Zeit zu nehmen, VerstŠndnis zu zeigen und nicht noch mehr Druck aufzubauen. Auch bei Auseinandersetzungen wegen ausufernden Medienkonsums sollten Sie sich in einer vertrauensvollen Beziehung zusammen mit dem Kind die Nutzungszeiten anschauen und Ÿber die Sinnhaftigkeit des Konsums sprechen. Die Art und Weise der Kommunikation ist in diesen schwierigen Zeiten besonders wichtig, und es ist essenziell, eine kommunikativ gewaltfreie Umgebung fŸr Kinder zu schaffen.

Damit es den Kindern gutgeht, ist es wichtig, dass auch Sie als Eltern nicht zu kurz kommen. Christian Keller betont, dass Eltern fŸr sich selber Sorge tragen mŸssen, um nicht ihren Stress und ihre €ngste auf die Kinder zu Ÿbertragen Ð sei es, sich Zeit fŸr ein MittagsschlŠfchen freizuschaufeln oder sich beim Lieferservice mal ein schšnes Abendessen zu gšnnen. NatŸrlich sind die Rahmenfaktoren in jeder Familie unterschiedlich. Entscheidend ist, sich mšglichst gelassen den Herausforderungen zu stellen und nicht zu erwarten, dass alles funktioniert.

 

Christian Keller ist Produktverantwortlicher fŸr Elternberatung beim pme Familienservice.