Estland: Blaupause für die Arbeitswelt 4.0?

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Asset-Herausgeber

14.02.2018
Isabel Hempel
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In kaum einem Land ist der digitale Wandel so offensichtlich wie in Estland. Das liegt nicht zuletzt am Führungsstil der Politik: Mit einer positiven digitalen Vision und transparenter Kommunikation haben die Esten das kleine Land verändert. Soft Skills, die auch deutsche Unternehmen sich hier abschauen können.

Wer heute seine Mitarbeiter ins digitale Zeitalter führen will, findet ein hervorragendes Best-Practice-Beispiel im Norden des Baltikums. Dort wo im Jahr 2003 drei Programmierer den Instant-Messaging-Dienst Skype erfanden: Estland.

Das kleine Land an der Ostsee garantiert seinen Bürgern per Gesetz kostenlosen Zugang zum Internet – und das schon seit 18 Jahren. Die Bewohner wickeln sämtliche Behördengänge online ab, was laut Eigenauskunft der Regierung jährlich mehr als 800 Jahre Arbeitszeit in der Verwaltung einspart. Jede Estin und jeder Este gibt dafür genau einmal dem Staat seine persönlichen Daten, danach haben alle Ämter und Behörden sowie Banken und Notare Zugriff darauf. Eine Steuererklärung einzureichen, dauert drei Minuten, eine Firmengründung anzumelden 18 Minuten, und auch wählen können die Esten online, wo immer auf der Welt sie sich gerade aufhalten. Dass die Grundschüler schon ab der ersten Klasse auf Tablets das Programmieren lernen, verwundert da nicht weiter.

Sprung vom digitalen Zehn-Meter-Brett

Was sich für uns Deutsche wie ein kollektiver Sprung vom Zehn-Meter-Brett anhört, ist für die Bewohner Estlands längst liebgewonnene Normalität. Vergleicht man das kleine Land mit einem Unternehmen, scheint die politische Elite einen Führungsstil gefunden zu haben, der eine ganze Nation erfolgreich auf der digitalen Superwelle surfen lässt. Die Menschen haben die Vorteile der digitalen Transformation erkannt und sind motiviert, weiter auf diesem Weg mitzugehen.

Sind die Esten also – um im Bild zu bleiben – die Mitarbeiter 4.0, geführt von Politikern, die begriffen haben, dass es ihre Aufgabe ist, Strukturen zu schaffen, die offen und anpassungsfähig sind und Neues ermöglichen?

In seinem aktuellen Artikel „Was müssen Mitarbeiter in der digitalen Welt können?“ definiert Roman Götter, Leiter der Fraunhofer Academy, Soft Skills, die die Arbeitswelt 4.0 vorantreiben.

„Coach statt Boss“ bewirkt die Übernahme von Verantwortung

Eine Voraussetzung für eine erfolgreiche digitale Transformation liege darin, Mitarbeiter zu finden, die selbstständig mit der Digitalisierung umgehen, sie zu motivieren und ihnen Freiraum zu geben, um Ideen formulieren und ausprobieren zu können. „Coach statt Boss“, nennt Götter diese neue Art der Kooperation, die tiefgreifende Veränderungen bewirkt und gleichzeitig die Verantwortung für den Change auf den Schultern aller verteilt. Wichtig sei dabei, dass das Management eine klare digitale Vision entwickelt, die als individueller Veränderungsprozess von allen Mitarbeitern gelebt wird.

 

Der estnische Skype-Mitentwickler Niklas Zennström leitet heute die Investmentgesellschaft Atomico (Bild: Niklas Zennström)

Die politische und wirtschaftliche Führungsklasse in Estland hat genau das geschafft: Die Entscheidungsträger im Land glauben selbst fest an die digitale Idee und können dadurch ein ganzes Volk von „e-believern“ um sich scharen. Die 48 Jahre junge estnische Präsidentin Kersti Kaljulaid wirkt in ihren minimalistischen Outfits und ihrer angstbefreiten Offenheit eher wie die CEO eines Internetkonzerns als ein Staatsoberhaupt. Spricht sie über die Digitalisierung, klingt das wie die gekonnte Umsetzung eines Bürgerrechts: klar, verständlich, reflektiert. Diese Deutung des technologischen Fortschritts macht den Blick frei auf die ökonomischen und gesellschaftlichen Chancen in einer Welt, die sich in rasendem Tempo wandelt.

Technologie, die das Leben ihrer Nutzer vereinfacht

Ein weiter wichtiger Punkt, den auch Roman Götter als Voraussetzung für den digitalen Change definiert, ist die Einführung einer nutzerfreundlichen Technik. „Jede Technologie hat ihren ganz individuellen Mehrwert für jeden einzelnen Mitarbeiter. Gelingt es den Mitarbeitern, ihren persönlichen Nutzen zu erkennen, gewinnen sie einen Blick für neue Trends und dafür, wie sie unabhängig von Features neue Services entwickeln können“.

Die Esten haben für ihr Volk offensichtlich Systeme entwickelt, die so reibungslos funktionieren, dass sich keiner im Land in analoge Zeiten zurücksehnt. Die E-Governance hat den Alltag der Bürger gravierend vereinfacht. Das ewige Warten in einer Schlange ist für jeden, der im ehemals sowjetischen Sektor aufgewachsen ist, ein Bild, das sich wie ein graues Mahnmal in die Erinnerung eingeschrieben hat. So auch für die Esten. Heute gibt es zu jedem einzelnen Online-Behördengang eine genaue Minutenangabe. „Wenn unsere Bürger für die Verlängerung eines Führerscheins wieder Schlange stehen müssten, würde es einen Volksaufstand geben“, ist sich Staatspräsidentin Kaljulaid sicher.

 

Staatspräsidentin Kersti Kalljulaid treibt den digitalen Wandel im Land voran (Foto: Raul Mee)

Die Gefahr eines möglichen Missbrauchs der Bürgerdaten durch den Staat scheint die Esten weit weniger zu bewegen als der Rückfall in sozialistische Verwaltungsmuster. Die politische Klasse genießt eine große Glaubwürdigkeit bei den Menschen und tut viel dafür, dieses Vertrauen nicht zu enttäuschen. Im vergangenen Herbst entdeckten Sicherheitsforscher eine Lücke im System der estnischen Identitätskarte, durch welche die digitale Identität eines Karteninhabers theoretisch missbraucht werden könnte. Innerhalb von kürzester Zeit sorgte die Regierung dafür, dass die Bürger ein Upgrade für ihre Karten bekamen, und holten sich in diesem Prozess stetig Feedback in der Bevölkerung.


Selbstschutz durch Cyberhygiene

Darüber hinaus appellieren die Esten an die Selbstverantwortung ihrer Bürgerinnen und Bürger. "Es wird immer an den Menschen selbst liegen, sich zu schützen", betont Staatspräsidentin Kaljulaid. Damit das gelingt, sei es nötig, so transparent wie möglich über eventuelle Risiken aufzuklären und diese zu verstehen. Cyberhygiene nennt sie das.

Transparente Kommunikation und Eigenverantwortung – auch Götter sieht in diesen beiden Handlungsstrategien Erfolgsmodelle. Eine „neue Organisationskultur verändert die Kommunikation in alle Richtungen – von der Basis an die Spitze und umgekehrt und vom Unternehmen zum Kunden und zurück. Sie stellt in erster Linie den individuellen Nutzen der Digitalisierung in den Vordergrund“, schreibt der Experte.

In Estland ist der digitale Change gelungen. Das kleine Land ist weltweit zu einem Vorreiter in Sachen Digitalisierung geworden und zieht Unternehmer aus allen Erdteilen an, denen das Land zugleich eine e-residency ermöglicht – die digitale Staatsbürgerschaft. „Das digitale Mindset Estlands ist ein hervorragender Nährboden für eine stetig wachsende Startup-Szene, die sich inzwischen einen internationalen Ruf erworben hat“, bemerkt das Startup Magazin Berlin Valley. „Für viele Investoren ist Estland ein ernstzunehmender Startup-Hub. Wie in den meisten anderen osteuropäischen Startup-Hubs (Warschau, Budapest, Bratislava, Riga oder Prag) brodelt dort eine besondere Mischung aus Unternehmergeist, Veränderungsdrang und Professionalität“. Wer noch genauer wissen möchte, wie das gelingt, sollte einen Besuch in Estland planen.

 

Quellen:

Berlin Valley Blog (2017), „Startup-Szene Estland: Ein ernstzunehmender Startup-Hub“, https://berlinvalley.com/startup-szene-estland/

Götter, Roman (2017), „Was müssen Mitarbeiter in der digitalen Welt können?“, Fraunhofer Academy, https://www.academy.fraunhofer.de/de/newsroom/blog/2017/11/7-skills.html

Kaljulaid, Kersti (2017), „Die Menschen müssen ihre digitale Identität selbst sichern", Interview im Deutschlandfunk vom 10.12.2017 , http://www.deutschlandfunk.de/interview-mit-der-estnischen-staatspraesidentin-die.868.de.html?dram:article_id=402857

https://investinestonia.com

http://startupestonia.ee

 

 

 

 

 

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